Hochprofessionell und prekär – und was bleibt sonst?


Die BitKom hat aus Anlass der KnowTech2015 zur Blogparade zum Thema “Zukunft der Arbeit” aufgerufen, wozu ich mit diesem kleinen Auszug aus dem gerade zur Interviewreihe “ArbeitsVisionen2025 entstehenden Buch gerne teilnehme.


Und sie bewegt uns doch, immer mehr  – die Automatisierungsmaschine. Es steht ausser Frage, dass unsere Arbeitswelt sich immer schneller und intensiver in Bewegung gerät und sich verändert. Roboter werden immer geschickter, die Sensoren immer ausgefeilter, die Software immer besser und die Verknüpfung der Technologien immer stärker. In vielen Bereichen sind erste Anzeichen dieser Veränderung sichtbar, in anderen werden sie es bald sein.
„Automatisierung? Kennen wir schon.“ Stimmt, in vielen Bereichen: in der Produktion stehen Roboter und auf unsern Schreibtisch Computer. Roboter können Autos ganz alleine zusammenschrauben und auch einfachste Software kann Daten sortieren und die Rechtschreibung prüfen. Vorgänge die vor 20 Jahren noch ganz natürlich von Menschen durchgeführt wurden.
Das uns körperliche Arbeit von Maschinen abgenommen wird ist Normalität geworden – dabei hat diese Entwicklung bislang deutlich weniger Arbeitsplätze gekostet als immer wieder gemutmaßt wurde. Diese Entwicklung geht weiter und wieder stellt sich die Frage, was die Menschen tun, deren Aufgaben durch immer intelligentere Computer oder Roboter übernehmen.
Ein paar Beispiele
Transport & Logistik. Schon heute sind gerade in großen Logistikzentren vollautomatisierte Hubwagen im Einsatz. Waren werden automatisch gefunden, gegriffen, Lieferungen konfektioniert und autonom bis an die Rampe gefahren. Sicher werden irgendwo die LKW’s schon autonom beladen. Die ersten Testfahrten fahrerloser LKW werden gerade in den USA und bei uns gestartet. Damit kann in naher Zukunft Ware aus großen – und später immer kleineren – Warenzentren vollautomatisch bis z.B. in die Produktion geliefert werden. Wenn dann noch ein Computer die Abrechnung automatisch anstößt und versendet, war hier zumindest keine menschliche Arbeitskraft mehr involviert.
Der Vorgang lässt sich weiter vereinfachen, wenn die Ladeflächen zu autonomen Einheiten werden, die dann vom LKW quasi eingesammelt und gekoppelt werden. Dann lässt sich der Transport noch weiter vereinfachen und individualisieren. Die 1-Mann Spedition wird möglich, wobei dieser Eine dann auch nur noch der Investor sein wird.
Diese Logik lässt sich ganz leicht auf andere Bereiche übertragen, z.B. das Einchecken von Koffern am Flughafen, das Austragen unserer Post und die Lieferung von Lebensmitteln und Getränken – wenn zukünftig mehr regionale Lebensmittelhändler ihre Online Shops öffnen. Alternativ übernimmt den Verkauf „einer der großen Onlinehändler“. Die ersten Start-ups bieten schon Lebensmittelpakete inklusive Rezeptvorschlägen an. Der gute Bäcker, der seine Brötchen morgens vor die Haustür legte ist nicht der Einzige, der in diesem Szenario keine echte Chance mehr hat.
Individualisieren werden sich auch andere Teile der Produktion. Die ersten 3D Drucker zeigen schon auf, welchen grundsätzlich neuer Zugang wir zu hochgradig individualisierten Produkten entwickeln werden. Der Replikator aus “Star Treck” wird gerade erste Wirklichkeit. Mittelfristig werden sich Unternehmen etablieren, die sich auf den Bau von Grundelementen für Geräte spezialisieren, die dann mit individuell “3D” gefertigten Oberflächen, Elementen und Gehäusen ergänzt werden. Wenn uns dann irgendwann der vollautonome Laster mit einem humanoiden “bis-an-die-Tür-Auslieferungsroboter” die neuen 3D-Druckerpatronen liefert, wissen wir, dass die “neue” Zeit längst da ist.
Wann diese Entwicklungen im einzelnen konkret werden kann ich nicht abschätzen. Sicher ist , dass wir bis 2025 weitere große Schritte in diese Richtung gegangen sind. Zumindest einige der derzeit in Produktion, Logistik und Transport beschäftigten, können sich langsam auf größere Veränderungen einstellen. Hier ist schon heute leicht vorstell- und damit irgendwann auch realisierbar, dass sowohl die einfachen und damit unsicheren Arbeitsstellen, wie auch die qualifizierteren, vermeintlich sichereren Stellen wegfallen. Einen Disponenten braucht eine oben beschriebene Spedition sicherlich nicht mehr.
Spannende und für Spannung sorgende Entwicklungen finden sich zum Beispiel auch im Baubereich. In China wird hier schon mit dem 3D Druck von Häusern experimentiert, und in Australien baut der Prototyp eines Mauerroboters selbstständig innerhalb von 48 Stunden den Rohbau eines Hauses mit einer Genauigkeit von 0,5 mm. Die gleiche Arbeit beschäftigt heute mehrere Maurer mindestens zwei Wochen.
Doch der 3D Druck kommt uns noch viel näher. Die ersten “künstlichen” Organe wurden bereits aus Zellmaterial gedruckt. Im Internet gibt es Datenbanken in denen Nutzer die Druckdateien für spezielle Produkte austauschen und diese dann auf der persönlichen Bedarf hin anpassen.
Künstliche Exoskelette sind am Körper tragbare Roboter, die eine enorme zusätzliche Kraft und Standsicherheit erzeugen. Derzeit noch in der Entwicklung könnten sie in den Bereichen in denen menschliche Kraftanstrengung aufgrund der Unterschiedlichkeit der Anforderungen noch unvermeidbar ist, mittelfristig Erleichterung bringen. Kombiniert mit künstlicher Intelligenz besteht auch hier immer weniger Notwendigkeit “echte” Menschen einzusetzen.
Auch in den reinen Wissensbereichen abseits der Kopplung von körperlicher Arbeitskraft und Wissen übernehmen Computer zunehmend komplexere Aufgaben. So werden erste Zeitungsartikel eigenständig von Computern geschrieben und ganze Rechtsdatenbanken werden heute von Computern intelligent durchsucht statt Heerscharen von Anwälten und Praktikanten damit zu beschäftigen.
Und wann waren sie zuletzt in einer Bank um sich beim Kassierer Geld auszahlen zu lassen. „Wissensarbeit“ ist schon jetzt keine reine Menschendomäne mehr und (einfache) Sachbearbeitung wird es nicht mehr lange bleiben. Vor kurzem wurde der erste Computer, besser gesagt die erste Software, in den Vorstand eines Unternehmens berufen.
Und die elektronische Krankenakte werden wir bald als einen sehr bescheidenen Beitrag zu dem erkennen, was wir dann unter Telemedizin verstehen.
Vor fünf oder zehn Jahren war das noch anders. Bis 2020 werden wir voraussichtlich Entwicklungen vollziehen, wie wir sie in den letzen 10 Jahren erlebt haben. Die zeitlichen Abstände verkürzen sich, die inhaltlichen nicht. Intelligente und autonome System werden zunehmend in vielen anderen Bereichen präsent sein.
Sind wir Menschen deshalb in Zukunft überflüssig? Wohl kaum, aber unsere Aufgabenbereiche verändern sich. Wir werden – wie bisher, – den Kollegen Bagger, Roboter, Computer zu nutzen wissen, um uns selbst FreiRäume für Aufgaben zu schaffen, die noch jenseits der Automatisierungsschwelle liegen. Den menschlichen Faktor können wir heute vor allem noch in den Bereichen Kreativität, Innovation und Interaktion einbringen. Hier liegen Kompetenzen, die noch uns trotz künstlicher Intelligenz noch kein Computer streitig macht.
Wie schnell die Wissensmittelklasse von diesem Wandel betroffen sein kann zeigt Work Fusion. Das Unternehmen verkauft Software an Unternehmen, die große, arbeitsaufwendige Projekte automatisieren wollen, welche vorher als klassische Büroarbeit erledigt wurden, etwa das Update von Daten oder das Heraussuchen bestimmter Informationen aus Websites. Die Software unterteilt die Aufgaben in Mikroaufgaben, automatisiert die repetitiven Teile der Arbeit und rekrutiert Freelancer auf Crowdfunding-Plattformen für die Aufgaben, bei denen man denken muss. Dabei versucht die Software von dem Freelancer zu lernen, um möglichst schnell auch dessen Aufgaben übernehmen zu können. Sie befreit so die Mensch von Routineaufgaben und macht sie – im Kontext von Routineaufgaben – schon heute überflüssig.
Die Beispiele zeigen wie sehr die Digitalisierung und Automatisierung die unterschiedlichsten Aufgabengebiete verändert wird. Betroffen sind schon heute Menschen aus allen Qualifikations- und Arbeitsbereichen. Je mehr Routine und Wiederholung in einer Aufgaben steckt, desto eher wird sie automatisiert werden. Aber – das ist “schon immer” so.
Doch – es gibt auch die anderer Seite. Dort findet man die Rollen und Aufgaben, die inmitten hoher Komplexitäten angesiedelt sind, zum Beispiel alles was menschlicher Interaktion zu tun hat. Diese Humantätigkeiten, die mit einem hohen Grad an Kommunikation und „aufeinander eingehen“ verknüpft sind, werden relativ unverändert bleiben. Wobei wir auch hier Roboter und Maschinen zur Unterstützung physischer Arbeiten nutzen werden. Doch – solange es im Kern um den Menschen geht, verlassen wir und aber noch mehr auf Menschen als auf Maschinen. Das Thema Vertrauen wird uns in diesem Bereichen noch lange mehr auf andere Menschen als auf Maschinen bauen lassen. Auch wenn wir Menschen fehlbarer bleiben als Maschinen es sind. Manchmal macht es gerade das aus.