Niels Pfläging beschreibt in seinem Artikel „Warum wir von Semco und Co. nichts lernen können“ (z.B. hierhier und hier… ), warum jedweder Versuch die Beispiele von SEMCO… nachzuahmen mit fast 100% Sicherheit NICHT dazu führen, dass sich ein einer beliebigen Organisation etwas ändert– solange zumindest, wie, wie er es nennt, die magische Zutat eines neuen „Menschenbildes“ fehlt.
Er schließt mit der Aussage: „Auf den anderen Kontinent führt keine Brücke. Niemand braucht eine solche Brücke. Denn wir können uns beamen: Man ist sofort auf dem anderen Kontinent, von einem Moment auf den anderen, wenn man aufhört, andere Menschen für „Xer“ (im Sinne Douglas McGregorszu halten.“
Ich stimme mit Niels sowohl bezüglich der mangelnden Übertragbarkeit von Beispiele und „Best practices“ als auch bezüglich unserer problematischen Sozialisierung im Begriffsbild  der „Theorie X / Theorie Y“ vollkommen überein, allerdings hat es mich beim „wir können uns beamen“ heftig durchgeschüttelt.
Ein positives Menschenbild entsteht nicht per Gedankenstromänderung von jetzt auf gleich. Das ist insbesondere in Unternehmen nicht auf Knopfdruck realisierbar. Für die meisten Unternehmen (und Menschen), die diesen Weg beschritten haben, war es ein (oft langer) Marsch durch die Höhen und Tiefen der (Selbst-)Reflexion. Dabei haben sie alle einen organisationsindividuellen Weg gefunden, mit den Herausforderungen umzugehen. Sie selbst hatten kein Vorbild – und das war wahrscheinlich ihr Vorteil. Andererseits hatten sie Vordenker in den eigenen Reihen, die Ideen hatten und Mut und Impulse geben konnten und die , nicht zuletzt auch offen mit Irrtümer umgegangen sind.

Wenn man das will, was sollte man versuchen zu verstehen?

Es gibt immer eine Vielzahl an Themen, die es verhindern, mal „eben so“ Selbstreflexionskräfte wirken zu lassen. Insbesondere, wenn es um so etwas Fundamentales wir das eigene, oder gar das gemeinschaftliche Menschenbild geht. Zu oft haben wir klare Feindbilder in Bezug auf zumindest einige unserer Kollegen, Mitarbeiter, Partnerunternehmen und auch Kunden verinnerlicht. Zu viele Störungen verhindern dass wir den geistigen und manchmal auch physischen Freiraum erhalten, um ohne Druck und Angst über diese Menschenbilder und das Gesamtsystem unserer Arbeitsumwelt nachzudenken. Zu oft steht dem gesunden Menschenverstand und dem gesundem Menschengefühl das alte Mindset entgegen, dass man Erwachsene im Job nicht erwachsen behandeln darf.
AAEAAQAAAAAAAAVMAAAAJDU4MDA1YWI3LTk2MzgtNDU1Yi05ZjMzLTBmNGJiMWNmMzY3OQDabei wirkt vertrackterweise der Pygmalion-Effekt. Kurz gesagt: Die Wahrnehmung des anderen steuert auch unser Verhalten ihm gegenüber. Menschen die ich für verantwortungslos und entscheidungsunfähig halte, werden sich (in meiner Wahrnehmung) verantwortungslos und entscheidungsunfähig verhalten.
Dazu gibt es in jeder Organisation tagtäglich einen Sack voll guter Gründe, die es unmöglich erscheinen lassen einen Weg wie ihn Toyota, SEMCO etc. gegangen sind einzuschlagen. Dennoch ist die Versuchung groß, auch wenn dem Top-Management bewusst ist, dass das kopieren oder nachahmen von Beispielen und „Best practice“ nichts bringt, weil das Gesamtsystem der eigenen  Organisation ein ganz anders ist – ganz egal wie schlüssig die Idee und die Umsetzung beim anderen auch war.
Um im Raumschiff Enterprise Kontext zu bleiben. Beamen funktioniert in der Theorie schon. Der Transporterraum hat zumindest keine Fehlfunktion. Im Prinzip kann jeder, mit ausreichender Reflexionsmöglichkeit verstehen und wahrnehmen, dass die anderen sich selbst auch als „Xer” sehen. Allerdings gibt es eine Vielzahl an Fehlern in der zentralen Energieversorgung, die verhindern, dass wir alle gemeinsam und sofort gebeamt werden können. Zu viel Energie geht ins umgebenden Weltall verloren, wird verschwendet und kommt nicht bei den Menschen und Systemen an. Schlimmer noch: Die Energie wird ihnen direkt entzogen. Damit fehlt uns der Freiraum für die Reflexion.
Immer wieder erhellend sind in diesem Bezug die Auswertungen zur „Organisationalen Energie“, die Prof. Dr. Heike Bruch, eine der Top-40-Köpfe des Personalwesens, mit ihrem Team der Uni St. Gallen durchführt. Hier wird deutlich, dass der richtige Mix aus produktiver und angenehmer Energie zwar Erfolgsrezept sind, aber zu viel resignative Trägheit und korrosive Energie teilweise dramatisch an der Substanz zehren.
Und noch etwas wird deutlich: Die zentrale Energieversorgung der Enterprise ist inzwischen in die Jahre gekommen, mit den Anforderungen und aufgrund der maroden Leitungen und  Störungen im Gesamtsystem überlastet und schlichtweg überfordert. Zu viele Störungen, starre Regelwerke, Bürokratie, kommunikative und kulturelle Hemmnisse belasten das Interaktionssystem und direkt die Mannschaft. Sie verhindern die Führung mit raumgebenden Prinzipien und dem Standard-Betriebssystem der Raumschiffe der neuen „humaNEO“-Klasse: dem humeaning. (humeaning bezeichnet die Kombination von Menschlichkeit (human bzw. humanity) mit der persönlichen Bedeutung der Aufgabe (meaning) in der Führung und Organsiationsgestaltung.)
Was also ist zu tun, wenn doch nur ein Neubau der Enterprise, eine „NCC-1701-A“, eine umfassende Lösung verspricht? Wie kann man ein Raumschiff bauen, wenn man gleichzeitig in geschäftliche Galaxien vordringen soll, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat?
Man sollte wohl vor allem nicht versuchen die letzten Schritte vor den ersten zu gehen und es nur in Ausnahmefällen versuchen die letzten Energien für’s beamen zu nutzen. Wobei – natürlich kann auch das gut gehen. Die ARTE Dokumentation „Mein wunderbarer Arbeitsplatz“ zeigt erfolgreiche Beispiele, wie zum Beispiel den französischen Lebensmittelhersteller Poult bei denen direkt gebeamt wurde. Allerdings auch mit offenem Visier und vollem Risiko.
So wenig sich das Tagesgeschäft heute nach der „Komfortzone“ anfühlt, sie ist doch zumindest bekanntes Terrain und jeder Schritt hinaus in die panikträchtige „magic zone“ will gut abgewogen und bedacht sein.
Der Bau einer NCC-1701-A aus einer bestehenden NCC-1701 heraus ist ein langer, auf individueller UND organisationaler Ebene Selbstreflexion erfordernder Prozess, auf dessen Weg wir zunächst Strukturen und Prozesse kräftig entrümpeln sollten. Dabei ist diese Entrümpelung eine Übung, die in jedem „Organisationsraumschiff“ ohnehin regelmäßig unternommen werden sollte. Es geht dabei nicht nur im Sinne eines „Kill your Darlings“ darum, ewige Projekte sinnvoll zu beenden, sondern eben auch um all die kleinen, inzwischen wohletablierten, Störungen und Macken, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben und die einige zwar wahrnehmen, für die nie Zeit war sie richtig in Ordnung zu bringen.
Aus meiner Perspektive sind es drei Bereiche, in und an denen es sich immer lohnt zu arbeiten – auch wenn eine „alte Enterprise“ nur wieder „auf Vordermann“ gebracht werden soll.

  1. die etablierten Störungen
  2. der Einfluß der VUCA-Welt auf das Tagesgeschäft
  3. die individuelle und organisationale Selbstreflexion

 
Zunächst stellt sich jedoch die Frage: Warum sollte sich die Organisation überhaupt verändern und weiterentwickeln. Kann man den Transporterraum nicht einfach abschalten. Raumgleiter statt beamen. Ging doch früher auch?!
Commander Spocks logische Antwort wäre wohl ganz emotionslos: Natürlich kann man das – man sollte es nur einfach nicht tun.
Dennoch: Ganz viele machen das so. Damit entscheiden diese Unternehmen gleichzeitig auch, dass es für sie nicht (und dann wohl nie) zeitgemäß ist, der Zukunft Raum zu geben.
Wenn man ihn nicht nutzt, wird der Transporterraum schnell zur Abstellkammer, was dann krisch wird, wenn man ihn doch wieder zu reaktivieren möchte, sollte mal Zeit und Energie übrig sein.
Lesen Sie im zweiten Teil dieser Trilogie, wie die Energie in diesen drei Bereichen abfließt. Am Montag dem 14.03.2016 lesen Sie welche Grundsätze bei der Umgestaltung hin zu mehr Menschlichkeit helfen können.
Ab dem 14.03.2016 können Sie alle drei Teile in auf meiner website als ebook herunterladen.