Unternehmen, Unternehmer und Führungskräfte, die ihr Umfeld aktiv in Ihre Arbeit und Entscheidungen einbeziehen, stehen heute besser da, als diejenigen, die sich abschotten und weiterhin versuchen vor allem durch Planung und nach Zahlen, Daten und Fakten (ZDF) zu führen.
 
Bei allem tradierten (und überholten) Glauben an ZDF geht es im Kern all unseres Tuns weiterhin „nur“ um das: „Was bringt’s mir“ – allerdings, und das ist die (wenig) erstaunliche Erkenntnis aus der Betrachtung von Unternehmen, die trotz oder gerade wegen VUCA immer erfolgreicher sind – in neuen Dimensionen.
 
Schon auf der persönlichen Ebene scheitern wir häufig an der einfachen Frage: „Was wollen wir eigentlich im Beruf, im Leben – und überhaupt?“. Wir wollen Karriere – und opfern uns dafür auf. Wir wollen Leben – und schieben das Ausleben unserer Wünsche bis zur Rente vor uns her. Wir wollen Kinder – und parken Sperma und Eizellen in Gefrierschränken. Wir leben auf Pump eines Lebens, dessen Ende mit jedem Ticken der Uhr gnadenlos näher rückt und dessen Endtermin wird – wieder unabhängig von allem ZDF – wir nicht planen, geschweige denn mit einem Termin versehen können.
 
Bei all dem verkennen wir häufig, dass wir sowohl im Leben, wie auch insbesondere bei der Arbeit in Systemen agieren. Systeme, die es uns weder ermöglichen autark und ohne Beeinflussung von außen zu agieren, noch etwas zu planen. Als aktiver Teil eines Systems interagieren wir mit ihm und gegen reaktiv auf Veränderungen ein, zu selten jedoch gelingt es aus dem reaktiv ein kreativ zu machen und zu gestalten.
 
Jedoch können wir die Chancen unsere Unternehmensumwelt zu beeinflussen vergleichsweise einfach erhöhen, indem wir das „Mir“ im „Wir“ spiegeln.
Doch dieses spiegeln ist nicht trivial und hat seine Tücken. Es gelingt dann um besser, je bewusster wir uns selbst kennen, je erwachsener wir mit uns selbst umgehen und je klarer wir uns machen, welche Bedürfnisse und Erwartungen wir mit uns herumtragen. Da wir nicht allein sind – weder auf der Welt, noch im Job oder im Leben – ist es ein notwendiger Anfang sich klar zu machen, welchen Beitrag wir bewusst oder unbewusst zu dieser Welt leisten. Und hier wird es spannend für Unternehmen. Ich behaupte, dass es den meisten Mitarbeitern in Unternehmen mit mehr als 25 Beteiligten nicht mehr klar ist, welchen Beitrag ihre Aufgaben und Rollen für die Wertschöpfung des Unternehmens leisten. Damit ist eine der wesentlichsten Grundlagen für (selbst-)Motivation verloren gegangen. Die Folge ist im Grunde ganz natürlich: wir fühlen uns zwar der Gruppe in der wir arbeiten, verpflichtet – wir leben mit und für das Team – der Rest geht uns, mangels Sichtbarkeit und Einflussmöglichkeit aber (gelinde gesagt) vollständig am Ars… vorbei. Die meisten Menschen in Unternehmen können gar kein Gemeinschaftsverständnis und damit keine Wahrnehmung für Risiken und Chancen entwickeln, einfach weil sie keine Gelegenheit haben das große Bild auch nur zu sehen. Natürlich versuchen viele Unternehmen diese „Klarheit“ über eine Vision zu schaffen – doch zu selten ist diese gut gemacht und noch seltener ist dabei eine echte Gelegenheit für die Menschen im Unternehmen, sich daran zu beteiligen oder sich auch nur darin wiederzufinden. Kurz, die Folgen von Führung nach industriellen Normen oder die “entmündigte Führung“ industrialisierter Unternehmenslogiken haben das „wir gemeinsam“ und die interne bereichsübergreifende Kooperation zugunsten besserer Planbarkeit und einfacherer Strukturen aufgegeben. Doch die (neue) Zeit holt die Unternehmen langsam ein. Egal, ob Unternehmen sich kundenzentriert, gewinnmaximiert oder auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter ausrichten, sie müssen heute mit zunehmend dynamischeren und komplexeren – oder für den planenden Beobachter „chaotischeren“ –  Anforderungen ihres Umfeld klarkommen. Das bedeutet, dass – egal, ob sie im Top-Management sitzen oder an der Kundenschnittstelle – Sie alleine nichts sind und das Wissen und die Kompetenz der Gemeinschaft alles ist.
Und – jetzt wird’s kompliziert und zugleich komplex: Je mehr wir gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, je schneller und unabhängiger wir entscheiden können müssen, je undurchsichtiger „das Geschäft“ ist, desto wichtiger ist es für jeden einzelnen erkennen zu können, was für ihn/sie ganz individuell „drin ist“. Wahrscheinlich nie zu vor war es so wichtig wie heute, das Ego und die Ergebnisse des eigenen Tuns in der Gemeinschaft zu stärken und gleichzeitig die Gemeinschaft über das Ego zu stellen!!!!!
 
Nun stehen wir vor diesem Berg von Wandel und bekommen den Hintern nicht hoch… Und das gleich in mehreren Dimensionen. Diese Dimensionen zu verstehen ist jedoch der Schlüssel um nicht nur als Unternehmen, sondern als starker Wirtschaftsstandort wirken und überleben zu können.
 
Die erste Dimension habe ich bereits versucht zu beschreiben. Ziel muss es sein, innerhalb der Organisationen mündig miteinander umzugehen, das Gesamtbild erfassbar zu machen und zu transportieren und die Erwachsenen, die hier tätig sind, als solche mit Respekt zu behandeln, also Transparenz, Vertrauen, Verbundenheit zuzulassen und so die Basis für Verbundenheit und Vernetzung zu schaffen. Es ist Zeit in den Dialog miteinander einzutreten und organisationale Gemeinschaft neu zu denken. Nicht von oben nach unten, sondern intensiv miteinander vernetzt. Wer in diesen Dialog einsteigt, stellt allerdings fest, dass es keinen rein internen Dialog mehr gibt. Unternehmen, die sich als geschlossene Systeme verstehen, agieren schon heute nicht mehr marktgerecht und sind damit im Grunde handlungsunfähig. Die Wahrnehmung von Organisationen als offenes System, mit einer Vielzahl an externen Schnittstellen und Einflussgrößen ist unabdingbar, um mit dem heute notwendige Maß an Komplexität umgehen zu können. Der externe Dialog muss geführt werden – nicht nur auf Top-Management und der klassischen Entscheiderebene – er muss buchstäblich jedem ermöglicht und nahegelegt werden. Sei es der Diskurs mit Geschäftspartnern, Kunden oder Wettbewerbern, oder der mit dem Zulieferer oder dem Kindergarten in der Nachbarschaft. Wichtig ist zu verstehen, dass wir uns in unserem Tun gegenseitig so intensiv beeinflussen, dass wir alle besser da stehen, wenn wir frühzeitig wissen und erkennen, was den anderen antreibt und was er tun möchte. Unabhängig davon, dass die Stärke unseres Wirtschaftsstandortes nur gewinnen kann, wenn Co-opetition statt Wettbewerb unser Handeln prägen. Es ist Zeit neue Koalitionen zu finden und zu gestalten.
me-we
Damit wird die zweite Dimension sichtbar auf der das „ME“ und das „WE“ gekoppelt sind:  Unternehmen brauchen vermehrt Netzwerke in und mit denen sich Neues schaffen. Auch auf dieser Ebene gilt es die Komfortzone zu verlassen, um in die magische Zone neuer (interdisziplinärer) Zusammenarbeit vorzustoßen. Auch hier gilt es alte Glaubenssätze zu reflektieren und zu überwinden. Es gilt den Austausch zu fördern, gemeinsam zu arbeiten, zu erproben, zu scheitern und zu lernen. Es gilt gemeinsam zu reno- und innovieren, Altes zu erneuern und vollständig Neues entstehen zu lassen. Es gilt die Ressourcen optimal zu nutzen und Kosten zu senken und es gilt neue Märkte gemeinsam zu entwickeln und zu gestalten.
 
All dieses geschehen zu lassen bedarf allerdings einer Fähigkeit, die uns abhanden gekommen zu sein scheint: in einer Zeit, die „Probleme“ als „Herausforderungen“ umschriebt und in der Fehler nicht vorkommen, ist uns die Gabe zur öffentlichen und transparenten Problemwahrnehmung weitestgehend abhanden gekommen. Weder im Unternehmen, noch in den (wenigen) unternehmensnahen Netzwerken wird öffentlich kritisiert und disputiert. Allenfalls wird einmal ein Berater geholt der als Hofnarr die Wahrheit aussprechen darf – nur um danach dann wieder das Feld räumen zu müssen. Wir sind in Tiefe unehrlich mit uns und unserer Arbeit geworden. Das Verhalten Negatives zu vermeiden ist zu einer Haltung und Grundeinstellung geworden, die nicht nur Unternehmenskulturen verdirbt, sondern auch Umsätze und Erträge verringert. In einer Zeit in der nichts – gar nicht – von der Öffentlichkeit ferngehalten werden kann, führt dieses Paradigma dazu, dass Unternehmen sich immer weiter unglaubwürdig machen und in der Akzeptanz ins Bodenlose fallen. #dieselgate ist nur ein Beispiel dafür, dass Schwindel sich für niemanden mehr lohnt.
 
Doch es geht auch anders – mit Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Fehlern. Mit dem Bewusstsein, dass die Menschen im Unternehmen dort Leistung bringen sollen, können, dürfen und wollen. Im kleinen, wie im großen. In „fünf Mann“-Betrieben und in multinationalen Konzernen. In jeder Branche und auf jedem Fleck dieser Erde. Bei dem Hersteller von Gore-Tex, bei dem Produzenten der Getriebegabel in Ihrem Auto und beim Alten- und Pflegedienst. Das dies lohnt und vor allem auch die Unternehmensführung vereinfacht, dafür gibt es inzwischen hundert- wenn nicht tausendfach Literatur, Listen von Unternehmen, Filme, handfeste „besuchbare“ Beispiele und (zunehmend) Netzwerke, in denen sich unzufriedene Betroffene der „alten Führung“ mit erfolgreichen Neudenkern treffen – auf Mitarbeiter und auf Führungsebene (wobei auch diese Klassifizierungen immer mehr verschwimmen).
 
Bleibt die Frage was und wie Sie etwas für und mit Ihrem Ego tun können, um selbst besser und leichter leben, arbeiten und auch führen zu können. Wie Sie die ganz persönliche – und auch die organisationsweite – Frage nach dem „Was ist denn nun drin, in der Zukunft, für mich und für uns?“stellen und beantworten können. Es braucht dazu wohl das, was man einen gemeinsamen Mutanfall nennt. Einen Ausbruch von Mut der sowohl auf der persönlich/individuellen, wie auch auf der organisationsweiten Ebene Energie und Anstoß gibt, sich gemeinsam zu hinterfragen und das gemeinsame Vorgehen zu überdenken. Das ist – ganz ehrlich – allerdings einer der wohl schwierigsten Schritte, die man als Unternehmen, und insbesondere als verantwortungsvolle Führungskraft gehen kann. Andererseits ist es der Schritt, den man gerade als verantwortungsvolle Führungskraft und Unternehmen heute (schnellstmöglich) gehen muss!!!
 
Schafft man das aus eigener Kraft?
So sehr sich meine Kollegen in dem weiten Netzwerk ähnlich denkender und ich uns über Aufträge freuen, um Unternehmen auf diesem Weg zu begleiten, so zeigt die Erfahrung, dass es natürlich auch externe Unterstützung geht. Doch – und das zeigt die Erfahrung ebenso – mit ihr geht es leichter, schneller und risikoärmer. In jedem Fall hilft es in der zweiten Dimension zu denken und sich mit gleichgesinnten (Unternehmen) zusammen zu tun, sich auszutauschen und gemeinsam Erfahrungen zu machen. Und zugleich hilft es Hofnarren und Bewusstmacher mit an Bord zu holen, die den Weg ebnen können, für all die guten Geister, die es auch bei Ihnen schon gibt und die darauf brennen das Unternehmen nach vorne zu bringen. Das hilft dann auch deren Egos, den wenn wir ehrlich sind, dann geht es am Ende eben doch immer nur, um unser eigenes, also auch Ihr Ego.