Könnten Sie eigentlich alleine leben? Könnten Sie so ganz alleine arbeiten? Wie würde sich ihr Tag verändern, wenn Sie tatsächlich alleine klarkommen müssten oder dürften?
Zwei Artikel von Kerstin Schinck & Winfried Felser (Fünf Lackmus-Tests für Ihre “WE ” Kultur) sowie von Frank Widmayer (Kann man eine New Work Kultur so einfach messen?) haben das Zusammenspiel vom „Wir“ (WE) und dem „Ich“ (ME) im Kontext der Bemühungen um einen Kulturwandel in vielen (vor allem auch großen) Unternehmen beleuchtet.
Im Summe sind so sechs gute Ansätze für Indikatoren plus einige bemerkenswerte Kommentare und Anmerkungen entstanden, denen alle, die sich für die Zukunft von Arbeit in bestehenden Organisationen interessieren, die dafür notwendigen 5 Minuten Lesezeit widmen sollten.
Nach der Lektüre dieser Texte beschlich mich die Frage, inwieweit eine „Wir-Kultur“ sinnvoll und umsetzbar ist. Sind „wir“ mit unserer heutigen Denk- und Handlungsweise bereit, für die großen Netzwerkstrukturen, die vielfach propagiert werden? Sind „wir“ bereit, uns soweit einzubringen, dass das so lange so wichtige „ego“ tatsächlich in den Hintergrund rückt?

Ist eine we-Kultur der richtige Ansatz?

Einige meiner Gedanken zu dem Thema habe ich schon (auch hier) kundgetan. z.B. in “Ob „Digitale Transformation“,„Industrie 4.0“….” oder “In der Zukunft geht es um gemeinsame Entwicklung, statt um singuläre Veränderung“. Hier beleuchte ich einen weiteren Aspekt.

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Die Entwicklungen der letzten Jahre – vielfach technologisch getrieben – lassen nach heutigem Verständnis keinen anderen Schluss zu, als das wir das „wir“ bzw. das „we“ deutlich mehr Priorisieren müssen, um die Herausforderungen in Bezug aus Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit, denen wir uns im Geschäftsalltag gegenübersehen, zu meistern. Das betrifft die interne Zusammenarbeit genauso wie die externe – weshalb die in den im Eingangs genannten Indikatoren und Anmerkungen auch den Punkt gut treffen. Denn alleine auf Basis eines „me“ könnten wir zwar sicherlich in den Wäldern Kanadas überleben, in Mitteleuropa, womöglich einbezogen in einen wie auch immer gearteten beruflichen Alltag, hätten wir keine echte Chance.

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Das Neue „we“ ist der deutlich mehr Erfolg versprechende Weg, als das noch weit verbreitete „me“, dass in der aktuellen Gemengelage nur noch weitere Herausforderungen hinzufügt.

Stimmt die Balance?

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In vielen Unternehmen ist das Zielkonstrukt „neuer“ Netzwerkorganisationen schon heute wahrnehmbar. Überall dort, wo die Hierarchie und Bürokratie überhand genommen hat und sich negativ auf den Betriebsablauf ausgewirkt hat, sind bereits stabile informelle Netzwerke entstanden.
Netzwerke, wie (mehr oder weniger) jede freiwillige Gruppierung von Lebewesen funktionieren nur in der Symbiose. Diese kann von einem „Nichtangriffspakt“ bis zu einer vollständigen Abhängigkeit voneinander vielfältige Formen annehmen. Insbesondere bei uns Menschen muss sie sich jedoch – damit sie langfristig und nachhaltig erfolgreich ist – für jeden Beteiligten in dem für ihn richtigen Maß „auszahlen“. Diese sehr individuelle Balance zwischen dem Wohl der Gemeinschaft und dem eigenen Wohl muss, abseits von jedem Ego-Denken und jedem Aufopfern stimmt, sonst gerät der Einzelne oder die Organisation in innere Schieflage. So muss ich das WE im ME spiegeln, wie das ME auch im WE.
Eine der großen Herausforderungen beim der Veränderungen von Unternehmenskultur – als Basis der kommenden Entwicklungen – ist es damit, diese Balance in ihrer Multidimensionalität bewusst wahrzunehmen und damit umzugehen.
Was geschieht, wenn diese Balance auf einer gesellschaftlichen Ebene verlorengeht erleben wir derzeit sowohl aus der Distanz wie auch ganz hautnah. Der Artikel von Harald Martenstein in der Zeit kommt dabei – aus meiner Sicht – einem Auslöser der Schieflage (auch in Unternehmen) sehr nah: Es geht um die Wahrnehmung fehlenden Respekts.
Im Spannungsfeld des Respekts vor der Gemeinschaft und ihrem erklärten gemeinsamen Ziel, ebenso, wie der Respekt vor den individuellen Erwartungen, Hoffnungen, Fähigkeiten und Potenzialen ist in den vergangenen Jahrzehnten zu viel dieser für erfolgreiche Zusammenarbeit so unglaublichen wichtigen Zutat verloren gegangen.

„Respekt ist das Fundament von Vertrauen und Verbundenheit und damit auch Grundpfeiler der (neue) Netzwerkstrukturen.“

Aus beiden Blickwinkeln, dem der Organisation, wie auch dem des Individuums entwickelt sich Respekt aus (z.B.)
R – (selbst)Reflexion
E – Empathie
S – Selbstwirksamkeit
P – Partizipation
E – Ehrlichkeit
K – Kommunikation
T – Transparenz
Die Frage, die sich damit stellt ist: Sind diese Elemente (bei Ihnen) vorhanden? Wie gehen Sie im Unternehmen miteinander um?
Respekt beginnt – wie auch Empathie – bei jedem selbst. Gehen Sie respektvoll mit sich selbst um? Wie hoch schätzen Sie den Wert Ihres Beitrags an der Leistung des Unternehmens ein? Geben und erhalten sie die Wertschätzung, die sie erwarten oder erhoffen?
Dabei geht es weniger um ein Knigge-gerechtes Verhalten, als um die das Verhalten steuernde Haltung. Es geht damit – wie Frank Widmayer schon schreibt – gerade auch um das Menschenbild mit dem wir versuchen das WE und das ME zusammenzubringen. Es geht um die Grund- und Glaubenssätze, die ihrem Handeln zugrundeliegen. Es geht um Strukturen der Zusammenarbeit, um Entscheidungsprinzipien und -prozesse und damit (vom Hölzchen auf’s Stöckchen kommend) um ganz viel des Klebers, der zukünftig erfolgreiche Unternehmen zusammenhält.
Probieren Sie doch mal ein paar ganz einfache Dinge aus:

  • Begrüßen Sie die Menschen mit denen Sie den Tag über arbeiten (mal wieder) per Handschlag.
  • Hören Sie in Meetings bewusst zu und lassen Sie ihr Smartphone in der Tasche und Ihr Laptop ausgeschaltet.
  • Fragen Sie die Betroffenen von Restrukturierungen und Change bevor sie sich an den grünen Tisch setzen.
  • Nehmen Sie sich Mittags 10 Minuten Zeit für sich selbst und gehen Sie spazieren.
  • Achten Sie auf das Wohlbefinden und Wohlergehen von auf sich UND den anderen.

Wie wäre es also mit einem Unternehmenkulturförderprogramm, dass der Respekt für die Wertschöpfung in Form von respektvoller Wertschätzung ausdrückt? Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen!
Aber um klein anzufangen bin ich in den Kommentaren gespannt auf Ihre Antworten zu den folgenden zwei Fragen:

  • Wie definieren Sie Ihre Balance zwischen „me“ und „we“?
  • Wie sieht das geeignetste Maß an Respekt für Sie aus, wie zeigt sich Respekt für Sie?