Gestern habe ich meine Söhne belauscht. Nein, es gab nichts, was ich nicht hätte hören dürfen. Die zwei gehen in die 2. Klasse und „lasen“ gerade in einem Hör-/Lesebuch über Piraten. Dabei ging es insbesondere darum, wie die Mannschaft zusammengestellt war, welche Regeln an Bord herrschten, wieso sie so allein erfolgreich gegen eigentlich übermächtige Gegner waren.
 
Aber es ging auch um Diversität, und die Verteilung der Profite, um gemeinsame Ziele, um einen Fokus auf die optimale Nutzung der Talente und Fähigkeiten. Aber dazu gleich mehr.
 
Viele Unternehmen machen sich derzeit auf den Weg, um mehr Agilität und Digitalisierung in ihre Denkweise und Strukturen zu bringen. Dies ist, gerade am Anfang, immer ein schwieriger Prozess, da er bedeutet, ausgehend von einem analogen, normengeprägten, prozessfokussierten, verantwortungsbefreiten Umgang miteinander, fundamental anders zu agieren. Selbst wenn der erste kleine Schritt bedeutet, den Beschluss zu fassen anders arbeiten zu wollen, muss sich dieser Beschluss erst mühevoll seinen Weg durch altes Denken und alte Strukturen bahnen.
 
So sehr das für all jene vertraut ist, die in diesen alten Strukturen leben (und feststecken), so irrwitzig ist dies, wenn man die Außenperspektive einnimmt – ja manchmal, einfach weil man (noch) nicht unterstützen DARF – gezwungenermaßen einnehmen muss. So erlebe ich, dass Beauftragungen sich um Monate verzögern, laufenden Projekte eine Auszeit nehmen und sich die Entwicklung von agilen Strukturen und neuem Führungsverständnis verzögern, weil trotz des Bewusstseins für den Bedarf, noch immer nicht alle möglichen Bedenkenträger abgeholt wurden. Welche Ressourcen in dieser Zeit in den Unternehmen weiterhin verschwendet werden, mag ich da kaum noch vorrechnen (der Dicke Daumen sagt da was von > 30% Ihrer Personalkosten). Aber es geht hier nicht um mich.
 
Aus diesen Unternehmen, die sich in solche, für Sie neue Richtungen aufmachen, höre ich auch gerne, dass der Bedarf an Querdenkern, an Rebellen und Hofnarren hoch ist. Sie suchen nach internen Disruptoren, um sich von innen heraus immer wieder wachzurütteln.
 
Vergessen wird dabei allerdings, dass auch Querdenken Strukturen erfordert, die verquertes überhaupt erst einmal zulassen. Jemand der alleine, ohne breite Rückendeckung und die Möglichkeit zum Austausch und zur gemeinsamen Arbeit mit anderen, versucht das Unternehmen zu bewegen liegt der Organisation schnell quer im Magen. Und was so quer liegt wird entweder schnell abgestoßen und (r)ausgeworfen oder langsam vereinnahmt und verdaut.
 

Solo-Querdenker aktivieren die Produktion von Magensäure.

Warum aber suchen die Unternehmen dennoch nach solchen freien Radikalen? 

Menschen die – oftmals mit einem systemischen Blick für „das große Ganze“ – die Details hinterfragen und Themen von ganz anderen Seiten angehen, bilden, aus Sicht der Unternehmen, Zugänge zu Jungbrunnen. Jungbrunnen, die es erlauben sich von innen heraus zu verändern, sich für konstruktive Kritik zu öffnen, ohne offene Flanken entstehen zu lassen. Sie sollen innovieren oder doch zumindest beim Renovieren ein wenig entkernen.
 
Worum es damit immer geht ist die Frage, wie Zukunftssicherung betreiben werden kann ohne an Wert zu verlieren, also ohne für Qualitäts- und Leistungseinbußen, die vom Kunden, dem Markt oder den Stakeholdern negativ bewertet werden könnten. Vor dem Hintergrund globaler, dynamischer Marktentwicklungen und Technisierung, der Demographiefalle mit (zu wenigen) jungen Wilden und (zu vielen) etablierten Alten, ist dies allein schon hinreichend schwer, da braucht man VUCA gar nicht erst zu bemühen.
 
Damit geht es um einen vollständigen Wechsel der Systemlogik, des „wie“, „was“ und oft auch „warum“, im laufenden Betrieb.
 
Die zugrundeliegenden Idee entstammt zunehmend auch der Wahrnehmung, dass „da draußen“ Unternehmen sind, die es schaffen anders zu arbeiten, sichtbarer zu sein, mehr Erfolg zu haben. Die „anderen“ sind aus dieser Perspektive Organisationen, bei denen schon von außen Querdenker und freie Radikale, oft bis oben in die „Spitze“, erkennbar sind.
 
Also muss es doch damit zu tun haben, oder?

„Pirates of work“ unter falscher Flagge 

Gerne wird übersehen, dass nicht einzelne Querdenker solche Unternehmen prägen, sondern diese Organisationen ein vollständig anderes Selbstverständnis in sich tragen. Sie sind im besten Sinn (und in romantischer Verklärung realer Piraterie) Piraten, die sich, bis auf prominente Ausnahmen, mit der Flagge des „normalen Unternehmens“ tarnen.
 
Warum Piraten? Weil es signifikante Übereinstimmungen zwischen unserem Bild von Piraten und solchen Organisationen gibt. Im Kern geht es um das Selbstverständnis von Zusammenarbeit. Früher wie heute, auf See, wie an Land, erzielen diejenigen Strukturen den größten Erfolg, die mit einem ausgeprägten Sinn für Fairness und die optimale Nutzung der vorhandenen Talente und Potenziale handeln. Dies zeigt sich in der Beteiligung am Gewinn genauso wie bei der Möglichkeit der (Ab-)Wahl des Kapitäns. Es zeigt sich in Gruppen, die vor Diversität nur so strotzen und in denen vor allem die individuellen Fähigkeiten, das Mindset und der Wille zum gemeinsamen Ergebnis beizutragen zählen. Und es zeigt sich darin, dass allen klar ist, dass eine moderne Ausrüstung genauso entscheidend ist, wie vorausschauendes Handeln.
 
Diese Basis, die hochgradige Agilität, Anpassungsfähigkeit, schnelle Entscheidungen, einen klaren Fokus verbunden mit einem hohen Maß an Vertrauen, guten Beziehungen, Wahlfreiheit und direktem Feedback verbindet, erlaubt damals wie heute gegen starke, etablierte Gegner anzugehen und am Ende zu gewinnen. Auch, wenn ein solches Verhalten in den Augen des Gegenübers als unorthodox und fast unmöglich daherkommt.

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Den Kaperbrief ausstellen

Wer ein wenig in die Geschichte der Piraterie eintaucht stolpert schnell über Kaperbriefe, jene Freibriefe, die es ehemals „normalen“ Handelsschiffern erlaubte anderen legal deren Produkte abzujagen. Natürlich mussten diese auch zunächst ihr (neues) Handwerk lernen. Es zeigte sich dennoch, dass viel Potenzial darin schlummerte ganzen Schiffsbesatzungen zu gestatten die alten Normen in Frage zustellen, die Ressourcen so zu nutzen, wie es gewinnbringend erschien und Beziehungen zu Kunden aufzubauen, die dem „Auftraggeber“ verwehrt waren. Sie lernten den Vorteil von Geschwindigkeit und Überraschungsmomenten für sich zu nutzen.
 
Zieht man diese Parallelen, wundert es, dass heute so wenige Unternehmen einzelnen autarken Organisationseinheiten, einen offiziellen Kaperbrief ausstellen.
 
Andererseits wundert es wenig, bedeutet es doch auch immer zuzugeben, dass es der „alten Struktur“ an dem Quantum Agilität fehlt, um den Markt optimal zu bedienen. Das alles trotz … ach ja, VUCA hatte ich ja schon erwähnt.
 
Damit bin ich an der Stelle an der in vielen Artikeln die Tipps folgen, wie Sie die Erkenntnis selbst umsetzen können, wie Sie also selbst Piraten und Freibeuter werden.
 
Am Ende kann dies in diesem Kontext wohl nur ein Rat sein: Schreiben Sie sich selbst einen Kaperbrief für Ihre Organisation. Erlauben Sie sich die Dinge in Frage zu stellen, sie anders zu machen, sich Freiheiten herauszunehmen, die die (Unternehmens-)Welt noch nicht gesehen hat. Machen Sie sich einfach auf den Weg!
 
Und – ja! – wenn Sie Querdenker in Ihren Reihen haben, dann lassen Sie sich von ihnen anführen, denn die denken offensichtlich schon so, wie sie alle am Ende handeln könnten.  

Wenn Sie wüssten, was sie wissen…. 

Wissen Sie wieviel Wahlfreiheit, dynamische Fähigkeit und Erfolgspotenzial, um nur einige Komponenten organisationaler Piraterie zu nennen, in Ihrem Unternehmen steckt und wie Sie es nutzen können? Wenn Sie sich nicht sicher sind, dann lohnt wahrscheinlich eine Agility Insights Diagnostik. Wie das geht und was das kostet erläutere ich Ihnen gerne. Schicken Sie mir einfach eine kurze Nachricht mit dem Betreff „Pirates of work“ und ich melde mich bei Ihnen.
 
Wenn Sie ganz allgemein herausfinden möchten wo Ihr Unternehmen im Vergleich zu anderen bzgl. der Fähigkeiten zu agilem Management stehen, dann nehmen Sie hiereinfach, unverbindlich und natürlich kostenfrei an unserer globalen Studie teil.
 
Denn wenn Sie wüssten, was sie wissen, wären Sie sicherlich schon einiges weiter.
 

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P.S. (07.02.2018) Dieser Blogpost ist Teil der Blogparade “Organisationsrebellen” des Blogs der Haufe Gruppe, die noch bis zum 23. Februar 2018 für Beiträge offen ist.