ACHTUNG: MEINUNG !

Ich habe ja ehrlich gesagt manchmal doch Zweifel, ob ich hier das Richtige mache. Ich fokussiere bei meiner Arbeit darauf Top-Managern und HR’lern die Grundlagen von Agilität zu vermitteln, um dann in den Unternehmen in einer gemeinsamen Aktivität die Rahmenbedingungen für diesen, in meinen Augen und in den Augen meiner Kunden, wichtigen Erfolgsfaktor zu legen.

Das 1. Problem 

Agilität ist eine Haltung und zeigt sich im Verhalten. Das kommt dann im Unternehmen besonders wirksam an, wenn es, ganz klassisch, von oben vorgelebt wird. Entsprechen nützt es wenig, wenn, wie es heute so oft gemacht wird, erst im Kleinen agile Teams aufgesetzt und darin Rolleninhaber festgelegt, und diese dann mit Agilen Coaches ins Unternehmensleben losgelassen werden. Die Abstoßungsreaktionen auf allen Ebenen sind dann heftig und der Performancegewinn entschwindet mit den Diskussionen und der gegenseitigen Behinderung. Wir leben halt eine Neidkultur, statt einer miteinander Lernkultur.

Das 2. Problem

Agilität setzt auf gute Kommunikation und (ergebnis)offene Dialoge. Doch was wir sagen und was beim anderen ankommt, sind bekanntermaßen zwei Paar Schuhe. „Gute Kommunikation“ ist echt ein Ding für ausgebuffte Profis. Transparenz gelingt ja meist noch irgendwie, wobei es auch hier eine große Herausforderung ist, die richtig wichtigen Informationen, gut aufbereitet, zur richtigen Zeit, in der richtigen Form, (d.h. verständlich und anknüpfungsfähig) den richtigen Menschen / Mitarbeitern bereitzustellen. Transparenz ist zudem eine Holschuld, kein Bringschuld! Menschen mit Informationen zu überschütten, die sie nicht interessieren ist da vollständig kontraproduktiv. Aber das alles richtig zu machen ist, nun ja, halt nicht einfach.

Das 3. Problem

Funktionierende, gelebte Agilität ist Selbstvertrauen pur. Und ganz ehrlich, wer, der in klassische hierarchischen Strukturen seine Lorbeeren verdient hat und aufgestiegen ist, will schon, dass die anderen mehr Selbstvertrauen entwickeln? Da muss man doch mit dem berühmten Klammeraffen gepudert sein, wenn man auf einmal den Mitarbeitern erlaubt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Da gehen doch alle (persönlichen Karriere)Pläne garantiert den Bach runter.

Auf der anderen Seite: Wer wird denn so blöd sein, Verantwortung zu übernehmen, wenn sich da ein anderer findet und es bislang dafür immer nur einen auf den Deckel gab. Macht doch keiner. Obrigkeitshörigkeit haben wir schließlich schon im Kaiserreich gelernt.

Ich fürchte ich könnte hier noch eine lange Liste von Problemen aufführen, die zumeist darauf zurückzuführen sind, wie wir – gerade im Unternehmenskontext – sozialisiert sind. Wir sind Kinder eines zu lange als relativ als aushaltbar erlebten Managementdesigns, also einer Art Unternehmen zum Funktionieren zu bringen, die zwar kaum einen glücklich gemacht hat, aber den Broterwerb sicherte. Und mehr als das, Zufriedenheit oder Spaß an der Arbeit… da tun wir uns einfach schwer, an sowas zu glauben und dafür vom alten, erlebten, gewohnten, „sicheren“ Abschied zu nehmen.

Nur – wenn man sich ansieht, was da draußen, außerhalb der Unternehmens(un)glückseeligkeit so passiert, dann kommt man an dem Thema einfach kaum vorbei. Zu intensiv sind die Veränderungen und deutlich ist der Vorteil, wenn man den Wechsel hinbekommt.

Und doch Zweifel ich. Wie viel einfacher wäre es Trainings und Workshops anzubieten, die das alte weiter manifestieren. Wie viel leichter wäre es auch dem (inzwischen eben nicht mehr) bewährten weiter aufzusetzen, statt sich in mit und für Unternehmen den Kopf darüber zu zerbrechen, wie in dem speziellen Fall die Rahmen- und Strukturkomponenten zusammenzufügen sind. Wie viel weniger müsste man diskutieren, argumentieren und überzeugen?

Vor allem eben, weil es ja am Ende doch erstmal kaum einer so richtig will……

Und dennoch: Ich kann halt nicht anders, einfach, weil ich den Weg langfristig als alternativlos ansehe und mir lieber die Nase, ganz vorne an der Wand, blutig stoße, als ständig mit einem Bein über dem Abgrund zu hängen.

Irgendwie bin ich dann doch froh, dass mein Selbstvertrauen und das meiner Kunden und Auftraggeber dann doch so groß ist, dass es lohnt jeden Tag aufs Neue in unbekannte Welten aufzubrechen. 

  • Ja, Agilität braucht ein Top-Management, das Agilität vorleben will!
  • Ja, Agilität braucht gute Kommunikation und Transparenz – auch die ist hinzukriegen – irgendwie verstehen wir uns ja am Ende doch alle!
  • Ja, Agilität braucht Selbstvertrauen – auf wortwörtlich allen Seiten!
  • Ja, Agilität kann (und wird) in Deutschland immer besser funktionieren, wenn immer mehr Menschen immer mehr zu diesem, ihrem Selbstvertrauen finden. 
  • Und ja, mehr Selbstvertrauen tut – ganz nebenbei – auch unserer Gesellschaft gut – aber das ist ein anderes Thema.

So – und jetzt denke ich wieder weiter.