Der SPIEGEL hat vor ein paar Tagen den Albtraum eines jeden Nicht-Karnevalisten und der meisten in Unternehmen ‚Geführten’ in Worte gefasst. Es begann mit der eher harmlosen Überschrift: ‚Erfolgreiche Teamarbeit – Diesen Typ braucht jede Gruppe’ und steigerte  sich über ein ‚Jede Gruppe braucht einen Clown‘ bis zur Aussage, dass der informelle Anführer, der Clown, und der formale Anführer, der Chef, möglichst übereinstimmen sollten.
 

Leben wir also in Zukunft in einer Welt, in der die Chefs Pappnasen tragen?

Naja, wahrscheinlich kennt ihr mich insofern schon soweit, als das ich solche Impulse mit großen Interesse, aber auch einer Portion Gelassenheit aufnehme, ihnen vor allem aber auf den Grund gehe. Und auch dieser Artikel hat mich nicht losgelassen, denn – so abgedreht es klingt – es steckt halt auch sehr viel Wahrheit in den Erkenntnissen, die, an dieser Stelle die NASA, gewonnen hat.
 

Also doch die Pappnaas?

Die NASA hat im Rahmen ihrer Forschung in Richtung zukünftiger Langzeitaufenthalte im Weltall und Marsexpeditionen, untersucht, wie ein Team zusammengesetzt sein sollte, damit dies möglichst sicher zum Erfolg kommt. Es ging also z.B. darum das Aufkommen von Konflikten zu vermeiden und die Basis für optimale Zusammenarbeit zu schaffen. Der Kern der Erkenntnis ist, dass jedes Team mindestens einen Menschen braucht, der ‚lustig‘, ‚sehr klug‘ ist und ‚sehr gerne Geschichten erzählt‘. Solche Typen werden in Teams häufig als inoffizielle Anführer (wir sagen ja gerne ‚Leader‘) wahrgenommen und, (wenig) überraschenderweise, sollten diese Leader auch die offizielle Rolle des Chefs einnehmen (so es sie denn gibt). In dieser Konstellation sind die Erfolgsaussichten augenscheinlich am größten.
 
Wer genau hingeschaut hat: Neu ist das alles nicht. Zum einen nicht, weil auch Roald Amundsen ins Artikel zitiert wird und beschreibt, welchen besonderen Wert ein solcher Typen bei seiner Südpolexpedition hatte. Weiterhin ist es nicht neu, weil es auch z.B. bei Ernest Shackelton (noch einem Polarforscher) zum guten Führungston gehörte, mit ‚Einfühlungsvermögen und Empathie’ vorzugehen und ein ‚optimistisches, positives und freundliches Arbeitsklima’ zu schaffen, kurz, eine positive Grundstimmung zu erzeugen. Neu ist es aber auch deshalb nicht, weil es einfach schon immer zu den Grundeigenschaften guter Führung gehörte den gesunden Menschenverstand mit gesundem Menschengefühl zu kombinieren.      
 

Dennoch hilft es vielleicht hier die einzelnen Komponenten zusammenzutragen und herauszustellen. 

Dieses ‚sehr klugen, lustigen Geschichtenerzähler‘ schaffen etwas Wichtiges: Sie gestalten in und durch ihre Geschichten einen Handlungsrahmen und damit ein ‚Framing‘ (also die Vermittlung des Kontextes und Sinns) und manchmal ein ‚Reframing‘ (also einen anderen Blickwinkel auf das oder die bestehenden Probleme) dessen, was im Team und um es herum geschieht. Sie bieten über ihre Kommunikation Erklärungsmöglichkeiten und Lösungsansätze in einer lockeren, aber das Thema auf den Punkt bringenden Form. Sie bauen mit Humor Brücken zwischen den einzelnen Individuen im Team, den Lächeln und Lachen verbindet – nach innen und nach außen. (Wer weiß, was Lachyoga alles bewirken kann ist jetzt sicherlich eher weniger überrascht 😉 )  
 
Kurz: Sie schaffen gemeinsame Perspektive(n), eine, in einer immer komplexeren, dynamischeren und damit verwirrenderen Welt, enorm wichtige Fähigkeit.
 

Aber sie tun noch deutlich mehr!

Perspektive ist gut. Immerhin schafft gerade eine gemeinsame Perspektive Zusammenhalt, weil sie ein gemeinsames Ziel beschriebt und zugleich konzeptuelle Verbundenheit und Klarheit schafft – und ganz nebenbei reduziert sie so, trotz der Vielfalt in der wir leben und arbeiten, mögliche Missverständnisse. 
 
Doch die Geschichten und ihre Erzähler tun noch mehr. Sie schüren zugleich, mit Blick auf das bereits erlebte und gemeisterte (oder auch die fuck-up Momente), das Gefühl von Stolz. Stolz und Perspektive wiederum gemeinsam schaffen Identität – in der Gruppe und mit dem Unternehmenden und seinen Zielen. Diese ‚secrcet sauce‘ ist einer der wichtigen Grundpfeiler guter Zusammenarbeit – neben z.B. Vertrauen, einer anderen Folge der geschürten positiven Gruppendynamik. 
 
Wo ein solcher Menschenverbinder tätig ist, verflüchtigen sich Silos, einfach, weil das Gemeinsame stärker wirkt, als das Isolierende. Es ist der Schlüssel auf dem Weg vom IQ zum heute so viel beschworenen WeQ. 
 

Was oft fehlt: die Passung

Was noch bleibt ist, die inoffizielle Rolle des „Menschen, der eine gemeinsamen Identifikationsraum schafft“ mit der des offiziell, hierarchisch Führenden zu verknüpfen. Zu oft weichen bei Führungskräften heute an dieser Stelle Selbst- und Fremdbild noch voneinander ab. Zu wenige werden auch inoffiziell als Anführer wahrgenommen, oftmals auch, weil die Sozialisierung in unserer Gesell- und Wirtschaft das „Ich“ stärker gefordert und gefördert hat, als das „wir“, weil Ratio noch immer mehr Raum einnimmt als Empathie und das gesunde Menschengefühl. Aber – und da freue ich mich es nochmal so deutlich vor-geschrieben bekommen zu haben: Auf die Passung kommt es an.
 

Wie kommt man dahin?

Wer von euch für sich diese Passung herstellen möchte – und die muss ja nun tatsächlich „von innen“ kommen und intrinsisch motiviert sein – dem gebe ich gerne noch ein paar Hinweise an die Hand:

  1. Achtet auf Unterstützung in zwei Dimensionen: Holt euch ‘outsiders inside your team’, d.h. die Quer- und Mitdenker, die es wagen die Dinge, die euch vielleicht entgehe, zu hinterfragen und auf den Tisch zu bringen, s.d. ihr darauf reagieren könnt.
  2. Schafft Raum für ‚insiders outside your team‘, also holt euch Menschen, denen ihr vertraut, damit sie dich und dein Team, in dem was ihr tut, spiegeln.
  3. Geht mit möglichst offenen Augen durch die Welt und stellt euch (und eurem Team) kontinuierlich Aufgaben, um euch in eurem Tun zu verbessern und mit noch mehr Klarheit und Verbundenheit zu kommunizieren und zu interagieren. Das WeQ ist (tatsächlich) das, was gute Teams zu Hochleistung bringen kann. 
  4. Es ist nicht die Pappnaas, die eine gute Führungskraft ausmacht, aber eine gute Führungskraft kann es sich durchaus leisten, sie zu tragen, ohne an Ansehen und Anerkennung zu verlieren – im Gegenteil.

    
In diesem Sinn: schön, dass auch Clowns das Zeug zur Führungskraft haben.  
 
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