Erfolgreiche Change-Strategien: Wie Sie den Wandel gezielt gestalten

Erfolgreiche Change-Strategien: Wie Sie den Wandel gezielt gestalten

Zusammenfassung

Das Thema “Veränderung” ist allgegenwärtig, dynamisch und komplex, besonders in Organisationen. Es erfordert bewusstes und reflektiertes Handeln, unabhängig von der Größe der geplanten Veränderung. In diesem Text werde ich eine Metaanalyse erfolgreicher Change-Ansätze mit einer Betrachtung des Entwicklungszyklus von Organisationen kombinieren, um die Erfolgschancen zu steigern. Eine Umfrage zeigt, dass die meisten Menschen Veränderungen bei Denk- und Handlungsmustern ansetzen würden. Dies kann nur gelingen, wenn wir die Rahmenbedingungen und die Organisationsstruktur anpassen. Im folgenden Beitrag werde ich weitere Hintergründe und Tipps dazu bieten.

Deep Dive

Über „Change“ braucht man nicht mehr viel zu schreiben. Dazu kann jeder Change-Manager ganze Bücher beitragen. Ansätze gibt es gefühlt so viele, wie es Change-Projekte gibt.  

Und doch, triggert es mich, denn auch beim Change ist der Weg der Erkenntnis und die Entwicklung neuen Wissens noch lange nicht abgeschlossen. Eine neue Metaanalyse zusammen mit einer (mir) schon länger bekannten Art Unternehmenssysteme zu sehen und zu verstehen, sind der Grund, warum ich mich nochmal dazu äußere. Ich denke, es lohnt, das Fass an dieser Stelle nochmals aufzumachen. Aber entscheide selbst.

Ich führe hier drei Dinge zusammen, erstens die Ergebnisse einer Metaanalyse zu den Rahmenparametern erfolgreicher Change-Projekte, zweitens eine vergleichsweise neue Art Entwicklungszyklen von Unternehmen zu betrachten und zu verstehen und, last, but not least, eine kleine Umfrage, die ich in dem Kontext gestartet habe und die zeigt, wie wichtig es ist, die ersten beiden Themen im Zusammenhang zu betrachten. 

„Die erfolgreichsten Ansätze zum Führen von organisatorischem Wandel“

Im Harvard Business Review haben Deborah Rowland, Michael Thorley, und Nicole Brauckmann im April unter dem Titel „Die erfolgreichsten Ansätze zum Führen von organisatorischem Wandel“ die Zusammenfassung der Ergebnisse einer Metastudie veröffentlicht (https://hbr.org/2023/04/the-most-successful-approaches-to-leading-organizational-change). Im Rahmen dieser Studie haben sie vier typische Vorgehensweisen identifiziert, von denen zwei mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern und zwei andere mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sind. Diese beiden, der „Masterful Change“ und der „Emergent Change“ reflektieren sehr unterschiedliche Grundannahmen und Selbstverständnisse der Führungskräfte und sind, aufsetzend auf die jeweils dazu passenden Basisparameter und Strukturen, damit auch sehr erfolgreich. 

Ein „Masterful Change“ findet laut den Autoren statt, wenn (in meinen Worten) 

  • das Top-Management die Richtung und Rahmen vorgibt,
  • sie die Führungskräfte innerhalb von Richtung und Rahmen frei arbeiten lassen,
  • die Führungskräfte sich gerne mit Zeit und Energie einsetzen,
  • die Stakeholder intensiv eingebunden werden,
  • die Führungskräfte, Beteiligten und Betroffenen Freiheit bzgl. Details der Implementierung besitzen,
  • bei Betroffenen und Beteiligten Change Kompetenzen aufgebaut werden können,
  • ein Netzwerk zum Austausch und Wissenstransfer gefördert wird und entsteht. 

Der Ansatz schafft ein Gefühl des „Gemeinsam schaffen wir das“ bei dem die individuellen Rollen und Aufgaben so bedeutsam erscheinen, dass die handelnden Personen sich gerne engagieren. Dieser Ansatz ist andererseits mit einem hohen Aufwand bei allen Beteiligten verbunden, besitzt aber eine hohe Wahrscheinlichkeit qualitativ vergleichbare Ergebnisse in der gesamten Organisation zu erzielen. 

Er eignet sich damit gut für Veränderungen, die unternehmensweit gleichmäßige bzw. gleiche Ergebnisse liefern sollen. 

Emergent Change“ verläuft sanfter, ist dafür aber auch weniger konkret und vergleichbar in den Ergebnissen. Bei ihm

  • gibt das Management eine vage Idee und Intention, aber keine klare Richtung vor,
  • wird der Rahmen durch wenige aber sehr klare und eindeutige Regeln definiert,   
  • sind die Führungskräfte frei in der Wahl ihres Fokus und können sich Raum für Experimente nehmen, 
  • erhalten die Führungskräfte schnelles Feedback und damit die Chance zur Reflektion und zur Verbreiterung und Vertiefung von Change Know-how bei sich und den Beteiligten, 
  • ergeben sich  gegebenenfalls divergente Entwicklungen in den unterschiedlichen Teilorganisationen,
  • müssen die Führungskräfte Entwicklungen im eigenen Bereich und bei anderen intensiv beobachten und sich mit anderen, parallel aktiven Gruppen austauschen,
  • stellen die Führungskräfte „nur“ den Rahmen für die zu gehenden Schritte,
  • bringen die Beteiligten gemeinsam organisiert die Entwicklung voran.

Emergent Change eignet sich besonders für schnelle Veränderungen, bei denen es keine negativen Auswirkungen hat, wenn in den verschiedenen Teilorganisationen unterschiedliche Lösungen implementiert werden.

Die anderen beiden identifizierten Changetypen werden als „Directive Change“ bzw. „Self-assembly Change“ bezeichnet. 

Beim „Directive Change“ wird der Veränderungsprozess sehr eng von den Führungskräften gesteuert und kontrolliert, ohne aber die Betroffenen und Beteiligten aktiv einzubinden. Sie bzw. ihr Umfeld soll verändert werden, ohne, dass die Einfluss nehmen oder selbst hilfreiche Kompetenzen aufbauen können. Ein Ansatz, der schon heute häufig scheitert und in der Zukunft auch keine Aussichten auf zurückkehrenden Erfolg mehr haben wird. 

Beim „Self-assembly Change“ wird zwar von den Top-Führungskräften entschieden und eng kontrolliert, was zu tun ist, die Betroffenen werden aber mit der Lösung im Wesentlichen alleine gelassen. In der Folge werden, gerade bei umfassenderen Change-Projekten, die in vielen kleinen Einheiten sehr unterschiedlich umgesetzt werden, auch sehr viele unterschiedliche Ergebnisse erzielt. Vom totalen Scheitern bis zum 100% Erfolg ist alles möglich. Meist bleibt ein bisschen was bei den Betroffenen hängen, aber Nutzen stiftet das Vorgehen kaum.

Insgesamt zeigt sich , dass der Erfolg wesentlich davon abhängt, welcher Rahmen für das Denken und Handeln in der Organisation etabliert wurde. Dazu lohnt sich noch einmal den Entwicklungszyklus einer Organisation anzusehen. 

Constitution > Concept > Construction > Chaos  usw.

In Organisationen lassen sich regelmäßig vier Phasen eines Entwicklungszyklus beobachten. In ihnen werden die Grundlagen für sehr unterschiedliche Elemente des späteren Gesamt(Kunst)Werks gelegt werden. 

  1. Constitution: In den Anfangstagen eines Unternehmens, einer Organisation oder auch „nur“ eines Team wird bewusst oder unbewusst „festgelegt“, nach welchen Basisparametern und mit welchem kulturellen Kern es agieren wird. Es geht um Frage wie: „Was ist die Aufgabe/den Auftrag?“, und „Wie wollen/sollen die Menschen darin miteinander und mit anderen umgehen?“. Die Antworten auf diese Fragen sind naturgemäß so unterschiedlich, wie die Themen und die Menschen. Damit ist diese Grundlage auch immer eine unterschiedliche. Geht es etwa darum, als Startup eine neue Idee mit allen verfügbaren Ressourcen und Ideen aggressiv in den Markt zu tragen, stellt man sich anders auf, als beim Versuch eine Ladengeschäft etablieren, das die Kunden begeistert und dessen Lieferanten ihre Marge minimieren. Es geht bei den Fragen darum, das übergreifende Ziel zu schärfen, das idealerweise dazu dient, Menschen dahinter zu vereinen und ihnen einen Identifikationspunkt zu geben. Zugleich geht es darum, das „Wie“ des Miteinanders zu klären. Giftet man sich an? Ist man übertrieben freundlich? Darf, muss, soll man ehrlich und vertrauenswürdig agieren? Alles hat seinen Zweck und zugleich Auswirkungen. Darum ist es so wichtig. Hier werden die Grundlagen des Gesamtsystems gelegt und diese sind, da sie sehr tief in der Gesamtstruktur stecken, ausgesprochen hartnäckig, falls man später etwas dran drehen und verändern will. Also aufgepasst!
  1. Concept: Die zweite Phase geht es um Rollen, Richtlinien und Regeln. Sie dient dazu, aufs der „verfassungsgebenden“ Idee Grundprinzipien der Zusammenarbeit abzuleiten und zu verankern. Dabei sind die wichtigsten Fragen: „Welche Rollen und Aufgaben gibt es im Unternehmen?“, „Wonach richten wir uns?“ „Wie viele und welche Regeln helfen uns zugleich fokussiert und anpassungsfähig zu sein?“ Die Concept-Phase ist die, in der die Grundlagen für Entscheidungs- und damit Machtstrukturen gelegt werden. Hier entscheidet sich, wie zentral oder dezentral, wie eigenständig oder eng geführt, wie stabil oder flexibel die Organisation agieren kann. 
  1. Construction: Aufsetzend auf der Constitution und dem Concept werden hier Antworten auf Frage nach (Macht)Strukturen, Hierarchien, Prozessen und Entscheidungswegen implementiert. In der Construction werden Aufgaben definiert und Rollen festgelegt. Es ist die Zeit der Detailplanung und der Arbeit in der Tiefen der Wertschöpfungsketten und Ablaufplanungen. 
  1. Chaos: Und dann treffen alle diese wichtigen und oft richtigen Überlegungen auf das reale Leben. Meist wächst das Chaos mit der Arbeitsbelastung an. Manches, was als hilfreiche Struktur gedacht war, offenbart sich als schwarzes Loch. Manche Rollen erscheinen überflüssig, manch übermächtig, wieder andere können von ihren Inhabern nicht ausreichend ausgefüllt werden. Themen, die übersehen wurden oder neu auftauchen, etablieren sich (wie) von selbst oder verlaufen im Sande und streuen Sand in die so perfekt eingestellten Zahnräder des Zusammenspiels in der Organisation. Die Notwendigkeiten stellen die vielen guten Ideen gnadenlos auf den Prüfstand. Neben dem, was wirklich gut durchdacht war, überlebt auch so manches Element, dem plötzlich der Kontext abhandengekommen ist. Dieses Unplanmäßige erzeugt, wenn es unerkannt bleiben oder nicht angesprochen werden darf oder kann, ein wachsendes Unwohlsein, Unmut und Demotivation. Kluge Unternehmen haben daher mitten im Chaos Fluchträume und Reflektionspunkte etabliert, in denen man gemeinsam über Anpassungen in den drei ersten Phasen nachdenken und diese einbringen kann. Wem das nicht gelingt, der versinkt nach und nach im Chaos.

Zeigt sich nun die Notwendigkeit Veränderungen vorzunehmen, ist es wichtig zu erkennen, auf welcher Ebene bzw. in welcher Phase diese ansetzen sollten. Denn Menschen sind zwar unglaublich anpassungsfähig, aber sie passen sich nur ungern aufgrund direkten (sozialen oder hierarchischen) Drucks an. Die Entwicklung vollzieht sich leichter, wenn Sie sich „nur“ an verständlich gemachte, für alle gleichermaßen geltende und konsequent umgesetzte und eingehaltene, neue Rahmenbedingungen anpassen müssen. Die Umwelt und das Umfeld prägen das Verhalten des einzelnen. 

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In meiner Umfrage hatte ich danach gefragt, wo die Teilnehmenden einen Veränderungsprozess starten würden. 53% würden bei den Denk- und Handlungsmustern ansetzen, 19% bei Macht(&)Strukturen und 23% bei Vorgaben und Prozessen. 

Egal, welchen Ansatz man konkret nutzen will, das „Chaos“ ist kein geeigneter Ort, um das zu tun. 

Denk- und Handlungsmuster werden, sofern sie grundlegend sind, in der „Constitution“, und wenn sie mehr den Alltag beschreiben, im „Concept“ festgelegt. Der Hebel für „Macht(&)Strukturen“ findet sich vor allem im „Concept“ und teilweise in der „Construction“ während „Vorgaben und Prozesse“ sich in der „Construction“ finden. 

Hier gibt es bewusst und reflektiert zu betrachten, welche Zielsetzung die geplante Veränderung hat und welche Stellschrauben dazu gedreht werden müssen. Doch Vorsicht! An einer Schraube zu drehen, hat immer auch Auswirkungen auf die benachbarten Schrauben. Jede Veränderung am System zieht Wirkungen an anderen Stellen nach sich, die wiederum auf die ursprüngliche Veränderung wirken können. Es ist ein Eingriff in ein System, der durchdacht und behutsam erfolgen sollte. Am Menschen selbst sollte er (fast) nie ansetzen, denn das diese Individuum umgebende soziale System ist so komplex und dynamisch, dass die Auswirkungen selten im Vorfeld bedacht werden können. 

Die Organisation ist ein System, das dauerhaft inneren und äußeren Einflüssen ausgesetzt ist, und das sich zudem selbst beeinflusst. Dieser systemische Zusammenhang macht jede organisationale Veränderung schwierig. Um so wichtiger ist es, diese mit hinreichender Ruhe und Sorgfalt anzugehen.   

Mein Rat

Die erste Frage sollte sein: Worum geht es wirklich? 

Daran schließt sich ganz natürlich an: Was ist wichtig? Sollen die Beteiligten ihre Kompetenzen vergrößern? Sollen möglichst einheitliche Ergebnisse am Ende stehen oder darf bzw. soll eine gewisse Vielfalt entstehen, die gegebenenfalls die Resilienz des Unternehmens stärkt? Wie sehr kann und will die Top-Managementriege die Entwicklungen laufen lassen oder kontrollieren? Wie schnell soll der Prozess ablaufen? Ist Zeit oder drängt es? 

Die Antworten ergeben, wie an einem Audiomischpult, eine Grundstimmung, mit dem man das Gesamtwerk weiter planen kann. 

Dann kann man darüber nachdenken, welche Auswirkungen die Entscheidung über den Change-Ansatz für die Umsetzung hat. 

Wer Change umsetzen will und dabei etwa darüber nachdenkt „Denk- und Handlungsmuster“, „Macht(&)Strukturen“ und/oder „Vorgaben und Prozesse“ zu ändern, muss immer auch die Rahmenbedingungen und Basisparameter im Auge behalten und sollte dort ansetzen, statt beim Menschen. Die organisationalen, sozialen und am Ende auch gesellschaftlichen Werte und Normen prägen unsere Umgebung und uns. Es ist wie in der Oper oder im Fußballstadion, Menschen wissen, welchen Normen sie entsprechen sollten (zumindest die meisten), was toleriert wird und was nicht.

Einzelnen oder Gruppen eine Verhaltens- oder gar Haltungsänderung aufzuzwingen ist hingegen frei von jeder Sinnhaftigkeit und bringt nur Stress und Demotivation für alle Beteiligten. 

Zusammenarbeit und die zugehörige Kultur mit ihren Werten, Normen und ihrer Ethik sind das, was entsteht, wenn Menschen unter gewissen Rahmenbedingungen zusammenkommen. Diese Rahmenbedingungen sind gestaltbar und sollten immer wieder bewusst auf ihre gewünschten und nicht-gewünschten Wirkungen hin betrachtet werden. 

Last, but not least: Sich vom Alten lösen

Nicht nur im Change gilt: Es wird immer Abhängigkeiten zum Beispiel von vorherigen Entscheidungen zu Produkten, Prozessen, Strukturen etc. geben. Manche dieser Abhängigkeiten lassen sich voraussehen, andere tauchen erst im „Chaos“ auf. Viele davon sind für die Beteiligten selbst unsichtbar, weil sie im Arbeitsalltag den sprichwörtlichen Baum im Wald nicht mehr sehen können. Hier ist dringend Hilfe von unbeteiligten Außenstehenden angeraten, sonst besteht die positiv gemeinte Weiterentwicklung zu torpedieren, oder gar im Keim zu ersticken. Neue Perspektiven und veränderte „Flughöhen“ bringen auch hier oft einen frischen Blick auf neue Möglichkeiten. 

Wie chaosrobust und überraschungskompetent seid ihr?

Wie chaosrobust und überraschungskompetent seid ihr?

Ein Überblick über die 5 Ebenen, die Chaos erzeugen oder verhindern können.

Chaos muss heute, mehr denn je, ein lebendiger Teil jeder Strategie sein. Das interne Chaos, gepaart mit den Überraschungen, mit der die Umwelt aufwartet, sind eine Kombination, die zwischen Lähmung und Energiestößen alles bereithalten kann. Vor Überraschungen muss nicht mehr gesondert gewarnt werden, Überraschungen sind Teil der neuen Normalität, sie sind Ausdruck eines sich schnell wandelnden Umfelds, insbesondere in einer, sich immer mehr im alten verankernden Gesellschaft.  

Was hilft, ist das innere Chaos zu reflektieren. Vieles davon ist hausgemacht. Sowohl auf individueller, als auch auf organisationaler Ebene. 

Was tun, wen Du das Gefühl hast, dass das Chaos bei der Arbeit Dir über den Kopf wächst? 

  1. Zieh den Kopf ein – nicht, damit Du aus der Schusslinie gerätst, okay, das vielleicht auch. Aber eigentlich, um Dir eine, oder fünf Minuten Zeit zu geben, über die Ursachen nachzudenken. Oft ist nicht das offensichtliche der Auslöser, sondern vieles ist tief im System, in den Routinen und im alltäglichen Wahnsinn verankert.
  2. Kläre für Dich, auf welcher der folgenden 5 Ebenen der Auslöser angesiedelt ist:
    1. Individuell: Liegt es an Dir als Mensch? Hat das Chaos bei Dir seine Ursache, weil Du die Dinge (noch) nicht ausreichend im Griff hast? Dann finde das Wissen, das Dir hilft besser klarzukommen und bau die Fähigkeiten auf, dem Chaos Struktur und Erwartbarkeit zu geben, denn dann kannst Du Dich vorbereiten und eine gute Vorbereitung ist nicht alles, aber enorm beruhigend.
    2. Im außen: Ist das Chaos quasi als Naturgewalt auf Dich und Dein Team eingebrochen? Gab es keine Vorzeichen, Warnungen oder Hinweise? Dann hast Du Pech und großes Glück, denn auch hier ist Vorbereitung möglich (und vielleicht doch alles). Schau Dir zusammen mit Deinem Team die worst-case Szenarien an, versetzt Euch in das alltägliche und das fast unmögliche, erkennt, welche realistischen Chancen ihr habt und was ihr braucht, um all das zu meistern. 
    3. Bei den Prozessen und Strukturen: Hier wird es interessant, denn wir haben die Ebene erreicht, an der man wirklich etwas verändern kann. Chaos, das entsteht, weil intern Prozesse und Strukturen nicht mehr zu dem passen, was das Geschäft erfordert, sind zwar (eigentlich) die Regel und (eigentlich) leicht zu beheben, aber (meist) macht doch keiner was. Warum? Weil die Lösung irgendwo im Nirwana des Organisationsdesigns steckt, kaum jemand weiß, wie das funktioniert und noch wenigeren bewusst ist, welche Auswirkungen Veränderungen hier haben. Es ist die Büchse der Pandora, es ist ein schönes Übel, aus ihr können Laster und Bedrohungen entweichen, aber sie enthält auch die Hoffnung. Das Organisationsdesign gibt Ordnung und Fokus, Ankerpunkte und Lösungswege. Aber es ist, bei aller Mühe, niemals vollständig und wirklich umfänglich für das „reale Leben“ geeignet. Es birgt immer auch Lücken und Stolpersteine. ABER, es birgt auch immer die Möglichkeiten aus Erfahrungen zu lernen und das Design so zu verändern, dass es besser passt. Manchmal trauen sich Menschen und Organisationen dies zu tun, oft gelingt es – manchmal nicht.
    4. Bei den Zielsetzungen und Strategien: Wenn das Organisationsdesign eigentlich gut passt und es ermöglichen könnte, dass alles „smooth“ läuft, lohnt es, sich die Zielsetzungen und Strategien selbst anzusehen. Hier, auf dieser übergeordneten Ebene, auf der auch die Regeln beschrieben werden, nach denen die Organisation ihre Aufgaben vollbringen soll, hat so mancher Widerspruch seinen Ursprung. Widersprüche, die am Ende das reale Arbeitsleben durcheinanderbringen, weil sie unnötige Spannungen und Kontroversen erzeugen. Diese anzusprechen und aufzulösen kann oft  helfen, zumindest, wenn in der Folge auch das zugehörige Organisationsdesign angepasst wird. Auf dieser Ebene zu arbeiten kann viele Probleme lösen und viel Chaos verhindern, bevor es entsteht.   Muss es aber nicht.
    5. Ganz an der Basis, bei der beabsichtigten Wirkung, Kultur und den Grundwerten: Wenn das Chaos seinen Ursprung in einem inkonsistenten Fundament hat, kann der Rest der Organisation darauf nicht stabil stehen. Wie bei einem Kartenhaus muss hier alles zusammenpassen. Daran zu arbeiten erfordert Verständnis und Willen bei den Top-Entscheidern, wenn dies vorhanden ist, kann man dafür auch vieles in geordnetere Bahnen lenken. Und doch. Jede Änderung hier zieht logischerweise (mindestens) eine bewusste, genaue Reflektion der Regeln, Zielsetzungen und Strategien nach sich. Und jede Änderung an dieser Stelle mögliche Anpassungen bei Routinen, Prozessen und Strukturen, und die wiederum bei allen, die irgendwie damit zu tun haben. 

Alles in allem, wenn Du feststellst, dass Dir die Arbeit besser gelingt, wenn Du den kleinen Dienstweg benutzt, wenn sich Schattenorgansationen aufbauen, die die Dinge entscheiden, weil alles andere zu lange dauert, wenn ihr alles „schon immer so gemacht“ habt, und es dennoch nicht funktioniert. Wenn die Überladung, die Reibungsverluste, der Mangel an Energie, sprich das Chaos immer größer wird, dann ist Zeit etwas zu ändern. Am einfachsten wäre es, wenn es nur daran läge persönliche etwas Neues zu lernen. Ganz oft ist das aber nicht das eigentliche Problem.

Wenn Du mehr darüber erfahren willst, wie die Ebenen „Chaos“, „Construction“, „Concept“ und „Constitution“ zusammenhängen, wer darin welche Verantwortung trägt, wie Selbstorganisation dieses Zusammenspiel beeinflusst, welche Fähigkeiten Deine Organisation aufbauen kann (und sollte), um überraschungskompetenter und chaosrobuster zu werden und wie Du (neue) Wege gehen kannst, dann melde Dich einfach per mail oder Direktnachricht bei mir.

Bis dahin, viel Glück!

Raus aus der Stressfalle!

Raus aus der Stressfalle!

Wir wissen leider alle viel zu viel über Stress. Trotz aller (Er)Kenntnis erleben wir ihn immer wieder. Gehetzt im Privatleben, Zeitdruck und negatives Feedback im Arbeitsleben. Da braucht es niemanden, der noch kluge Ratschläge gibt.

Allerdings scheint es, als seinen doch ein paar Hinweise angebracht, denn der meiste Stress im Arbeitsleben entsteht nicht, weil wir zu blöd zum Arbeiten sind, sondern weil wir zu blöd zu sein scheinen, die Systeme, in denen wir arbeiten, so zu gestalten, dass Arbeit stressfreier wird. Oft sind es eher die Rahmenbedingungen, der Zugang zu Ressourcen oder mangelnde Transparenz, die zu schlechter Kommunikation, zu Druck und zu unklaren Entscheidungswegen führen.

Jetzt kommt sicherlich von einigen die „Ja, aber mein Chef“… als die Ursache allen Übels. Ja, es gibt Chefs, die so sind, es gibt echte, na(rr)zistische Ar……er darunter. Menschen, die dazu nicht geeignet sind und den Job dennoch machen (dürfen). Ja, richtig. Der einzige Tipp der hier hilft: man diese im Grunde nur verlassen, um ihnen zu entgehen.

Aber es gibt die Masse der anderen Führungskräfte, die sich durch das/die Systeme, in denen sie agieren (müssen) selbst so gestresst fühlen, dass sie nicht besser damit umzugehen wissen, als diesen Stress einfach weiterzugeben.

Der Stress, der von diesen ausgeht, resultiert aber aus einer Schwäche des Systems, die man angehen und abstellen kann. Man muss es nur als solche erkennen und angehen.

Dazu dann gleich ein paar Empfehlungen.

Hormoneller Giftcocktail

Wie Stress wirkt, muss ich hier kaum beschreiben. Nicht anders als vor tausenden Jahren, als wilde Tiere oder Kampf Stress auslösten, schießen u.a. Adrenalin und Cortisol in unsere Blutbahn. Flucht- und Kampfinstinkte erhalten freien Lauf, wir sind extrem fokussiert und schalten die Bereiche des Gehirns weg, die zum Denken zu lange brauchen würden. Dafür erhalten unsere Muskeln maximale Energien, zugleich werden Schmerzreize unterdrückt. Wir können kämpfen bis zum umfallen – aber nicht darüber nachdenken, welche anderen Optionen wir haben. Bei akutem Stress sind Magen, Darm und alles, was uns bremsen könnte, außer Funktion. Das geht hin, bis zu einem abgeschwächten Immunsystem und einer im Gegenzug besseren Blutgerinnung. Die Hormone steuern uns. Hormone, die man am besten durch körperliche Aktivität abbaut. Körperliche Aktivität, die wir am Arbeitsplatz meist nicht haben. So bleibt vor allem Cortisol länger im Körper und baut nach und nach einen inneren Zustand von Dauerstress auf.

Stress, der immer individuelle Auswirkungen hat, aber durch die Organisation (unserer Arbeit) system(at)isch getriggert ist und sich dort allerdings fast nie sinnvoll abbauen lässt.

Ein Zustand, den Unternehmen ernst nehmen sollten, denn er kostet Zeit, Geld und reduziert (in zu hohem Maß) die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden.
Problematisch ist, dass ein bisschen Stress durchaus hilfreich und gut sein kann. Ein (individuell) zu hoher Stresspegel ist es nicht.

Ein „Stress-deep-dive“ 

Um den Ursachen näherzukommen lohnt es, ein wenig tiefer ins Thema Stress einzusteigen, denn erstaunlich viel davon ließe sich bereits am grünen Tisch eliminieren. Der erste Punkt ist sicherlich, sich die Stressoren bewusst zu machen, denn der berühmt-berüchtigte Säbelzahntiger ist erstaunlicherweise heute in Unternehmen kaum noch präsent. Dafür erleben wir zu oft Dinge wie: Überlastung, inhaltliche Überforderung, Zeitdruck, häufige Arbeitsunterbrechungen, schlechte Arbeitsorganisation in Form von schlecht funktionierenden Prozessen und ungeeigneten Strukturen, sinnbefreite Zeitfresser-Meetings,  Intransparenz, Konflikte, Lärm, einseitige körperliche Belastungen, Unfairness, manchmal auch illegitime Tätigkeiten u.v.a.m.

Vieles davon ist dabei nicht auf das individuelle Arbeitsverhalten und den verinnerlichten Arbeitsethos zurückzuführen. Die Masse dieser Stressoren könnte relativ leicht von denjenigen aufgelöst werden, die das Betriebsmodell der Organisation definiert, das Organisationsdesign entworfen und den organisationalen (Anpassungs-)Fähigkeiten Raum (bzw. zu oft leider zu wenig Raum) gegeben haben.

Weil ich es für so wichtig halte, hier ein paar mehr Details zu diesem Thema, zu dem ich aktuell die 6-teilige Artikelreihe von @Alec Leverson und @Dr. Johanna Anzengruber über „Organization Capability“ nur empfehlen kann.

Drei grundlegende Elemente jeder Organisation: das ‚Betriebsmodell‘, das ‚Organisationsdesign‘ und die ‚Organisationale Fertigkeiten‘ sind unter anderem in hohem Maß entscheidend dafür, wie viel generelles Stresspotenzial eine Organisation in sich trägt.

Das Betriebsmodell definiert konzeptionell, wie Ressourcen genutzt, Prozesse und Strukturen angelegt werden, um die grundlegende Zielsetzung, die Intention des Unternehmens umzusetzen. Es beschreibt, wie das Unternehmen organisiert, koordiniert und ausgerichtet ist, um die Mission und Strategie zu erfüllen. Sie bildet die Grobstruktur des Unternehmens und gibt Leitlinien vor.
Es bestimmt damit, ob das Unternehmen ein eher modernes Regelwerk nutzt oder nach den guten alten, traditionellen (und *Ironie ein* früher immer richtigen *Ironie aus* 😉 Prinzipien und Parametern funktioniert.

Das Design der Organisation grenzt ab, wie sie strukturiert ist, einschließlich der Rollen, Verantwortlichkeiten, Berichtslinien und anderer formaler Beziehungen. Es legt die Hierarchie, die Prozesse, die Arbeitsteilung und die Koordinationsmechanismen fest, einschließlich der Differenzierungen zu und von Funktionen und Teams.

Die Fähigkeiten/Fertigkeiten/Möglichkeiten/Kompetenzen der Organisation (Organizational Capabilities) erlauben ihr, Leistung zu erbringen und auf Veränderungen zu reagieren. Sie helfen Abläufe, Prozesse, (Entscheidungs-)Wege und Kommunikation zu optimieren. Da die Anforderungen an diese Optimierung sich stetig verändern können, führen sie (idealerweise) zu einem sich stetig anpassenden und verbessernden Organisationsdesign und Betriebsmodell. Sie sind Inhalt und Ergebnis der Ausführungs- und Lernphase der Organisation. Betriebsmodell und Organisationsdesign sind also eher wie eine Reihe von Richtlinien oder Leitplanken zu behandeln, die eine beträchtliche Flexibilität zulassen sollten statt als statische Pläne und Fakten.

Wie daraus Stress entsteht? Ganz einfach, indem diese drei auf sich aufbauenden Teile als relativ statisch angesehen werden. Doch in einem System, das nicht nur äußeren, sondern auch inneren Einflüssen unterliegt, durch neue Mitarbeiter, neue Anforderungen der Kunden, veränderte Ziele und Aufgabenteilung etwa, kann und darf nichts statisch sein. Wird die Arbeit, die dieses System leisten soll, dennoch so gehandhabt, bleiben Prozesse, Strukturen und Entscheidungswege unverändert, entstehen Konflikte und Stress in der und durch die Organisation, die sich auf alle auswirken.

Ist man sich dieses Spannungsfelds bewusst, ist es leicht für die Organisation Stress systemisch und strukturell zu vermeiden. Der Schlüssel ist das Verständnis für die Anpassungsfähigkeit und -notwendigkeit von Management Design (als Oberbegriff für die drei genannten Elemente) und von Feedbackloops, die den Veränderungsbedarf kanalisieren und konstruktiv nutzbar machen. Ziel ist dabei alle drei Grundpfeiler der Organisation aufeinander abgestimmt und kontinuierlich weiter zu optimieren, um sie einer sich verändernden Um- und Innenwelt anzupassen. Wobei sich die Notwendigkeit zur Kontinuität allein schon dadurch ergibt, dass die drei Elemente sich gegenseitig beeinflussen. So führt die Weiterentwicklung bei einem Element fast automatisch zu Anpassungsbedarf bei einem anderen. Es entsteht ein (klassisch) iterativer Prozess der Verbesserung. 

Spannend ist, dass Unternehmen mit relativ modernen Managementmodellen scheinbar weniger organisational verankerten Stress erzeugen. Das workLIFE Barometer 2023 zeigt hier bei allen hierfür relevanten Fragestellungen deutliche Vorteile gegenüber traditionell agierenden Unternehmen.

So, und nur? Was kann ich tun?

Da die Auslöser für Stress also in zwei Lagern zu suchen sind, beim Individuum und seiner Reaktion auf Belastungen und bei der Organisation selbst, sollte man sie immer auch von beiden Seiten aus angehen. 

Dabei ist es wichtig, sowohl die individuellen Wahrnehmungen und Erfahrungen, als auch die organisationalen Rahmenbedingungen, Annahmen und die Arbeitskultur zu betrachten, wenn man negativ wirkenden Stress minimieren will.

Wie so oft bietet eine bewusste Beobachtung einen guten Einstiegspunkt. Relevante Reflektionsfragen dazu sind auf der individuellen Ebene etwa:

– Wie gehst du damit um, wenn du gestresst bist? Welche Maßnahmen/Mechanismen kennst du, um vorhandenen Stress (Hormonbelastung, psychische Belastung) abzubauen? Welche Freiräume brauchst du dafür?

Oder zum tieferen Einstieg:

  • Woran erkennst du, dass du gestresst bist?
  • Was muss geschehen, damit du dich gestresst fühlst?
  • Was muss geschehen, damit du dich nicht gestresst fühlst?
  • Was muss geschehen, damit du rechtzeitig aus Situationen aussteigst, von denen du weißt, dass sich dich stressen?
  • Begibst du dich bewusst in Situationen, in denen du negativen Stress empfindest? Warum? Wann passiert das? Wie passiert das?
  • Wie geht dein Umfeld damit um, wenn du erkennst, dass du gestresst bist?
  • Woran erkennst du selbst, dass du gestresst bist?
  • Wie viel Stress tut dir gut?
  • Welche Indikatoren weisen früh (genug) darauf hin?
  • Wie beugst du vor, um nicht in Situationen zu kommen, in denen du übermäßigen Stress empfindest? Wie kann dein Umfeld dir dabei helfen?

Auf der organisationalen Ebene sind zwei geeignete Fragestellungen:

  • Mit welchen Maßnahmen, Strukturen, Zielen und Routinen erzeugt die Organisation bei ihren Mitarbeitenden übermäßigen negativen Stress?
  • Welche Ressourcen und Möglichkeiten stehen den Mitarbeitenden zur Verfügung, um mit ihrem individuellen Stress besser um zugehen, ihn abzubauen oder ihn zu vermeiden?

Allerdings reichen diese nicht aus, um den Themen wirklich auf den Grund zu gehen. Wer dies will, muss tiefer einsteigen und damit starten, die Zusammenhänge umfassender verstehen zu wollen. Oftmals für viele, auch erfahrene Manager ein Augenöffner. Wie das geht, erläutere ich gerne im Einzelgespräch – dafür fehlt hier einfach der Raum.

Die Ansätze, um individuell gegenzusteuern kennen viele. Sie drehen sich um das eigene Selbstverständnis und eine gesunde Lebensweise zum Ausgleich der hormonellen Auswirkungen von Stress. Klassiker sind ein bewussteres und effektives Zeitmanagement, die Schaffung von Raum für regelmäßige kurze Pausen, tägliche Achtsamkeitsübungen und Meditation, eine offenere Kommunikation mit Vorgesetzten und Kollegen über Arbeitslast, Herausforderungen und Bedürfnisse, mehr körperliche Aktivität, eine ausgewogene Ernährung und natürlich Entspannungstechniken wie Atemübungen oder progressive Muskelentspannung.

Und auch auf Seite der Organisation gibt es Klassiker, die immer wieder empfohlen werden, wie etwa die Möglichkeit, flexible Arbeitszeiten zu nutzen, die Option, von zu Hause aus zu arbeiten, eine offene und transparente Kommunikation, die Bereitstellung von Möglichkeiten für sportliche Aktivitäten oder Fitnesskurse, die Förderung der mentalen Gesundheit, eine klare und realistische Aufgabenverteilung, mehr Anerkennung und Lob für gute Arbeit, eine unterstützende und kooperative Teamkultur.
Alles Themen, die viele Unternehmen nutzen, und dennoch ist der Stress weiterhin (fast) allgegenwärtig.

Alles gut, doch alles auch nur geeignet, um die Symptome zu lindern. 

Wie viel wirksamer wäre es, an den Ursachen zu arbeiten und der Falle zu entkommen?!

Kein Fair p(l)ay?!

Kein Fair p(l)ay?!

Equal pay ist eine aktuelle Forderung, die heute oft im Raum steht, einfach weil gerade die (Geschlechter-) Ungerechtigkeit oftmals zu groß ist. Sollten wir uns dann nicht schon fragen, ob das, was wir ggf. neu aufsetzen, nicht nur gleich, sondern vielleicht auch schon fair ist?

Was könnte „fair“ in diesem Kontext überhaupt bedeuten? Gleicher Lohn für gleiche Zeit, gleiche Kompetenzen, gleiche Chancen, gleiche Leistung? Abhängig von der Situation des Unternehmens, der privaten Situation der Mitarbeitenden, der Wettbewerbssituation im Stellenmarkt, der Altlast an Lohnstrukturen im Unternehmen?

Und wie könnte bzw. würde der Schritt aussehen, ein gerechtes Lohnsystem aufzusetzen?

Fair pay ist eines der diffizilsten Themen, die es im Spannungsfeld Mitarbeitender und Arbeitgeber gibt. Die „richtige“ Bezahlung zu finden ist ein Balanceakt, der viel Aufmerksamkeit erfordert. Zu groß ist die Gefahr von Unzufriedenheit, Neid oder einem Gefühl mangelnder Wertschätzung. Aber auch das andere extrem ist möglich. Ein zu hohes Gehalt kann das Gefühl übertriebener Wertschätzung und die Wahrnehmung auch (zu) viel Arbeitsleistung zu schulden entstehen lassen und fördert so Überarbeitung bis zum Burn out. Auch ein Zustand, der keinem der Beteiligten wirklich hilft. 

Daher ist es besonders wichtig, zunächst Vor- und Nachteile abzuwägen, diese mit der eigenen Situation im Unternehmen abzugleichen und dann zu entscheiden, welche Schritte man wie weit in diese Richtung gehen will, und wann. Es ist ganz sicher kein Thema, das man überstürzt angehen sollte.

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workLIFE Barometer 2023 – Ergebnis der traditionell geführten Unternehmen

Dass das Thema grundsätzlich Relevanz besitzt, hat meine kleine Umfrage im Rahmen des workLIFE Barometer 2023 gezeigt. Dabei habe ich ‚nur‘ nach „equal pay“ gefragt, einem Ansatz, den ich als vorgelagerten Entwicklungsschritte zu „fair pay“ ansehe. Die folgende Aussage sollte bewertet werden: „Bei uns werden alle Mitarbeitenden unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft etc. für gleiche Arbeit gleich bezahlt.“

Die Differenzierung zwischen modern geführten (und damit nach Aussagen der Teilnehmer insgesamt hochgradig erfolgreichen Unternehmen) und traditionell geführten zeigt, dass das Thema in immerhin 72% der modern geführten weitgehend umgesetzt ist, jedoch nur in 37% der traditionell geführten. 

Das workLIFE Barometer 2023 hat gerade in dieser Differenzierung noch eine Vielzahl weiterer lesens- und reflektionswürdiger Ergebnisse geliefert, die ich hier zusammengestellt habe.

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workLIFE Barometer 2023 – Ergebnis der modern geführten Unternehmen

Aber, was bringt fair pay ganz konkret?

Hier zunächst ein paar Vorteile, die fair pay mit sich bringen sollte:

  • Talentsuche, -gewinnung und -bindung: Unternehmen, die fair pay praktizieren haben einen positiven Ruf und werden als Arbeitgeber der Wahl angesehen. Es zieht qualifizierte und engagierte Mitarbeiter an und trägt dazu bei, hochqualifizierte Fachkräfte langfristig zu binden. Unternehmen, die fair bezahlen, bauen eine langfristige Beziehung zu ihren Mitarbeitern auf, die zur Stabilität und Nachhaltigkeit des Unternehmens beiträgt.
  • Diversität und Inklusion: Fair pay fördert eine vielfältige und inklusive Arbeitskultur, in der Menschen unabhängig von Geschlecht fair behandelt werden. Dies steigert die Kreativität, Innovationskraft und die Vielfalt der Ideen im Unternehmen. Mitarbeitende sind motivierter innovative Ideen einzubringen und neue Lösungsansätze zu entwickeln.
  • Motivation und Produktivität: Mitarbeitende, die wissen, dass ihre Arbeit fair vergütet und wertgeschätzt wird, sind in der Regel motivierter und produktiver. Angemessene Bezahlung trägt zur allgemeinen Zufriedenheit der Mitarbeiter bei, was sich positiv auf deren Gesundheit und psychisches Wohlbefinden auswirkt.
  • Image und Reputation: Unternehmen, die für Fairness in der Bezahlung stehen, haben ein besseres Image und eine positive Reputation in der Öffentlichkeit.
  • Geringere Fluktuation: Durch faire Bezahlung wird die Fluktuationsrate reduziert, da Mitarbeitende weniger wahrscheinlich das Unternehmen verlassen, um nach besseren Vergütungsmöglichkeiten zu suchen. Das senkt zugleich die Kosten für Rekrutierung, Einarbeitung und Training.
  • Arbeitsmoral und Teamarbeit: Eine faire Bezahlung fördert eine positive Arbeitsmoral und stärkt das Teamgefühl, da alle Teammitglieder das Gefühl haben, wertgeschätzt zu werden. Die Spannungen im Team, die aufgrund von unfairer Entlohnung entstehen könnten, werden reduziert.
  • Wirkung auf die Unternehmenskultur: Fair pay trägt zur Entwicklung einer Unternehmenskultur bei, in der Zusammenarbeit, Respekt und Gerechtigkeit gefördert werden. Das verbessert ganz allgemein das Arbeitsumfeld. 
  • Höhere Kundenbindung: Zufriedene Mitarbeiter, die fair entlohnt werden, neigen dazu, eine höhere Servicequalität zu bieten, was zu einer besseren Kundenbindung führt.
  • Wirtschaftlicher Erfolg: Studien haben gezeigt, dass Unternehmen mit einer Geschlechtergleichheit in der Bezahlung langfristig wirtschaftlich erfolgreicher sind, da sie von einem breiteren Talentpool profitieren und bessere Entscheidungen treffen können. Zusätzlich tragen zufriedene und motivierte Mitarbeiter stärker dazu bei, die Geschäftsziele zu erreichen. Indem sie u.a. effizienter arbeiten und bessere Leistungen erbringen.
  • Geringere rechtliche Risiken: Eine faire Bezahlung reduziert das Risiko von rechtlichen Auseinandersetzungen wie Diskriminierungsklagen oder Vorwürfen unangemessener Behandlung.

Aber natürlich gibt es nicht nur Vorteile. Einige Nachteile sollten in die Betrachtung mit einbezogen werden.

Hier sind sechs mögliche Nachteile:

  • Kostensteigerung: Unternehmen könnten höhere Lohnkosten tragen müssen, was zu finanziellen Belastungen und Reduzierung der Gewinnmargen führen kann.
  • Wettbewerbsnachteil: Wenn andere Unternehmen in derselben Branche nicht fair bezahlen, könnte das Unternehmen Schwierigkeiten haben, im Wettbewerb zu bestehen.
  • Geringere Flexibilität: Das Unternehmen könnte weniger flexibel sein, wenn es darum geht, Löhne an unterschiedliche Fähigkeiten oder Erfahrungen anzupassen.
  • Mögliche Ineffizienzen: Ein starres Lohnsystem könnte zu Ineffizienzen führen, wenn es nicht in der Lage ist, individuelle Leistung und Beiträge angemessen zu berücksichtigen.
  • Bürokratie und Verwaltungsaufwand: Ein komplexes System zur Ermittlung von fairen Löhnen könnte zu erhöhtem Verwaltungsaufwand führen.
  • Abhängigkeit von externen Standards: Die Festlegung von fairen Löhnen könnte auf externen Normen und Daten basieren, was möglicherweise nicht immer genau die individuellen Gegebenheiten des Unternehmens widerspiegelt.

Doch das alles hilft nicht unbedingt, die eigene Situation einzuschätzen. Daher hier Reflektionsfragen, die dir helfen sollen, das Thema übergreifend und spezifisch zu erfassen: 

Die Kernfrage, die sowohl hinter „fair pay“ wie auch „equal pay“ steckt ist: Was verstehe ich/ verstehen wir als fair bzw. gleich?
Wie kann man mit individuellen Stärken und Schwächen umgehen?
Sollte man das spezifische soziale Umfeld und die Lebenssituation des/der Einzelnen in die Gehaltsfestlegung mit einbeziehen? 

Dazu können gleiche Aufgaben sehr unterschiedlich erledigt werden, was so oder so zu einem Gefühl der Ungerechtigkeit führen kann. Ein Grund, warum gute und transparente Kommunikation gerade in diesem Kontext enorm wichtig ist!

Die Umsetzung von equal bzw. fair pay ist von so vielen organisationsindividuellen und aufgaben- sowie mitarbeiterspezifischen Faktoren abhängt, darunter die Branche, Unternehmensgröße und -struktur sowie die allgemeine Wirtschaftslage, dass es ein Projekt ist, dass sich immer auch den Managementrahmen und -parameter mit einbeziehen muss. Dazu gibt es sehr einfache und umfassende Werkzeuge. Wenn da dazu mehr erfahren möchtest, sprich mich an.

Warum sollte man es dennoch angehen?

Von fair pay profitieren in erster Linie die Arbeitnehmenden und die Gesellschaft insgesamt. Hier sind einige der Argumente:

  • Arbeitnehmer: Fair pay gewährleistet, dass Arbeitnehmer angemessen für ihre Arbeit entlohnt werden. Dies führt zu höherer Arbeitszufriedenheit, Motivation und Produktivität. Arbeitnehmer haben auch eine bessere finanzielle Sicherheit und können ein angemessenes Leben führen, ohne ständig finanziellen Druck zu spüren.
  • Gesellschaftliche Gerechtigkeit: Fair pay fördert soziale Gerechtigkeit, da es Einkommensunterschiede reduziert und die Wohlstandsverteilung fairer gestaltet. Dies kann helfen, soziale Spannungen zu verringern und das Gefühl von Ungerechtigkeit in der Gesellschaft zu reduzieren.
  • Wirtschaftliche Stabilität: Wenn Arbeitnehmer fair bezahlt werden, haben sie mehr Kaufkraft, was zu einer höheren Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen führt. Dies kann die Wirtschaft ankurbeln und das Wirtschaftswachstum fördern.
  • Unternehmenserfolg: Fair pay kann auch für Unternehmen vorteilhaft sein. Gut bezahlte Mitarbeiter sind oft motivierter und engagierter, was sich positiv auf die Arbeitsleistung, die Innovationsfähigkeit und die Qualität der Arbeit auswirken kann. Zufriedene Mitarbeiter bleiben in der Regel länger im Unternehmen, was die Kosten für Personalfluktuation reduziert.
  • Talentsuche und -bindung: Unternehmen, die fair bezahlen, haben oft einen Wettbewerbsvorteil bei der Anziehung und Bindung von hochqualifizierten Fachkräften. Mitarbeiter sind eher bereit, in Unternehmen zu bleiben, die ihre Arbeit schätzen und adäquat belohnen.
  • Langfristige Nachhaltigkeit: Fair pay kann zur Schaffung einer nachhaltigen Arbeitskultur beitragen, in der ethische Prinzipien und soziale Verantwortung hoch geschätzt werden. Dies kann langfristig dazu beitragen, das Image eines Unternehmens zu verbessern und das Vertrauen von Kunden und Investoren zu gewinnen.


Und wie??

Wer faire Gehaltsstrukturen in einem Unternehmen etablieren möchte kommt nicht umhin eine ganzheitliche Herangehensweise zu wählen. Alles andere ist dazu verdammt Flickwerk zu bleiben oder nach der Einführung wie ein Kartenhaus wieder in sich zusammenzufallen. Dies ist insbesondere gefahrvoll, wenn an anderer Stellen schwerwiegende Altlasten die Implementierung sabotieren oder unterminieren würden. Solche Altlasten und damit die gesamte Rahmen- und Regelstruktur zu beleuchten sollte daher immer der erste Schritt sein.

Aber auch, wenn es „nur“ um die Vergütung gehen kann, weil andere Themen bereits geklärt sind, sollten verschiedene Aspekte betrachtet und beachtet werden. Die Implementierung von fairer Bezahlung in einem Unternehmen erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, die verschiedene Aspekte der Vergütung berücksichtigt. Hier sind ein paar Ansätze:

  • Transparenz bei Gehältern und Vergütungsstrukturen: Stelle sicher, dass die Gehaltsstrukturen und -kriterien für alle Mitarbeiter transparent und nachvollziehbar sind. Dies verhindert Ungleichheiten aufgrund von Geheimhaltung und stellt sicher, dass ähnliche Positionen ähnlich vergütet werden. DU kannst auch Gruppen aus gewählten Mitgliedern deiner Belegschaft etablieren, die sich um die Veränderungswünsche kümmern und diese im Dialog mit den Beteiligten klären. 
  • Jobbewertung und -klassifizierung: Führe eine objektive Bewertung der verschiedenen Arbeitspositionen im Unternehmen durch, um ihre Wertigkeit zu bestimmen. Dies hilft, Gehaltsunterschiede aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder anderen nicht relevanten Faktoren zu minimieren.
  • Gehaltsbänder und -stufen: Etabliere klare Gehaltsbänder oder -stufen für verschiedene Positionen basierend auf Verantwortung, Erfahrung und Fähigkeiten. Dies hilft, Konsistenz und Fairness bei der Vergütung sicherzustellen.
  • Entgeltgleichheit: Beseitige geschlechtsbezogene Lohnunterschiede, indem du sicherstellst, dass männliche und weibliche Mitarbeiter, die vergleichbare Aufgaben ausführen, gleich bezahlt werden. Überwache regelmäßig, ob diese Gleichheit aufrechterhalten wird.
  • Leistungsbezogene Vergütung: Implementiere ein transparentes System für die leistungsbezogene Vergütung. Anerkennung und Belohnung sollten anhand messbarer Kriterien erfolgen, um willkürliche Entscheidungen zu minimieren.
  • Schulung und Sensibilisierung: Schulungen für Führungskräfte und HR-Mitarbeiter sind wichtig, um sie für die Bedeutung fairer Bezahlung zu sensibilisieren und Diskriminierung zu vermeiden.
  • Gehaltsüberprüfung und Anpassung: Führe regelmäßige Überprüfungen der Vergütungsstrukturen durch, um sicherzustellen, dass sie den aktuellen Marktwerten und Wettbewerbsbedingungen entsprechen. Passe Gehälter bei Bedarf an, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
  • Diversity und Inklusion fördern: Schaffe eine Unternehmenskultur, die Vielfalt und Inklusion fördert. Dies trägt dazu bei, Barrieren abzubauen, die zu Ungerechtigkeiten bei der Vergütung führen könnten.
  • Externe Überprüfung: Wenn möglich, lasse externe Experten die Vergütungsstrukturen und -praktiken überprüfen, um objektive Einschätzungen und Empfehlungen zur Verbesserung der Fairness zu erhalten.
  • Feedback und Partizipation: Biete den Mitarbeitenden die Möglichkeit, Feedback zur Vergütung zu geben, und ermutige sie zur Partizipation in Diskussionen über Gehaltsstrukturen und -anpassungen.

Die Implementierung fairer Bezahlung erfordert Zeit, Engagement und die kontinuierliche Bereitschaft zur Anpassung auf allen Seiten. Sie ist jedoch entscheidend, um eine gerechte und produktive Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sich alle Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen. Sie 9ist ein wichtiger Baustein und Bestandteil einer wertschätzenden und würdevollen Organisationskultur und damit (fast) jeden Aufwand wert. 

Wenn du Fragen oder Anmerkungen hast, gerne hier in den Kommentaren oder direkt an mich. 

Moderne schlägt Tradition – wie Organisationen (und workLIFE) einfach besser werden

Moderne schlägt Tradition – wie Organisationen (und workLIFE) einfach besser werden

workLIFE Barometer 2023 – Ergebnisbericht

Modernes Management macht Organisationen erfolgreicher und verbessert zugleich das workLIFE.

Der gewählte Managementansatz, traditionell oder modern, beeinflusst in großem Maß, wie erfolgreich die Unternehmen selbst und wie engagiert die Mitarbeitenden darin die Zukunft gestalten können. Es sind die Rahmenbedingungen für Zusammenarbeit, die zunehmend über den Erfolg entscheiden. Das zeigen die Ergebnisse meiner diesjährigen Umfrage teils sehr eindrucksvoll. 

Der eigentliche Fokus dieser Studie lag auf dem workLIFE, dem Status des Verhältnisses von Arbeit zu Privatleben. Doch die Ergebnisse zeigen Effekte, die weit darüber hinausgehen und die deutlich belegen, welchen enormen Einfluss das vom Management gewählte und im Kern der Geschäftstätigkeit verankerte Denken und Handeln auf den Erfolg und das workLIFE im Unternehmen hat. Eine wichtige Erkenntnis für alle, die sich optimale Voraussetzung für das eigene Arbeitsleben beziehungsweise für den Erfolg ihres Unternehmens wünschen.  

workLIFE erscheint häufig als individuelle Wahl, die sich durch Gesundheits- und Krisenpräventionsmaßnahmen, durch Coaching und Zeitmanagement beeinflussen lässt. Jedoch ist zu einem großen Teil die Wahrnehmung und die Notwendigkeit zur Investition in workLIFE von der jeweiligen Arbeitssituation abhängig. Ein Faktor, der wesentlich vom Managementsystem und der davon anhängenden Kultur der Organisation beeinflusst wird.

workLIFE sollte also nicht nur als individuelle Wahl, sondern immer auch mit dem Blick auf die Einflüsse durch die Organisation betrachtet werden.   

workLIFE Screening grosses Bild

Zwei Faktoren, die in diesem Kontext eine besondere Rolle spielen sind ‚Wirkung‘ und ‚Würde‘.
Einerseits geht es darum, aus Unternehmenssicht Arbeit so zu gestalten, dass jeder Mitarbeitende und das Unternehmen insgesamt, bestmögliche Wirkung (nach innen und außen) erzeugen kann und andererseits, aus der individuellen Perspektive, ist die Intention, dass die persönlichen Wahrnehmungen, Wünsche und Erwartungen so weit erfüllt werden, dass es gelingt ein würdevolles (Privat)Leben zu genießen.

Einen kleinen Einschub zum Thema ‚Würde‘ findest Du hier.

Abb 1 1

Abb 1: Ergebnisse zu Wirkung in Würde in traditionell bzw. modern geführten Unternehmen

Nun, ich habe nachgefragt. Ich habe meine Kontakte und Follower gebeten an meiner Umfrage zum Thema workLIFE teilzunehmen und eine kleine Zahl ist diesem Aufruf dankenswerterweise gefolgt. So ist ein Blitzlicht davon entstanden, wie Arbeit und (Privat)Leben zusammenpassen und welche Treiber und Einflüsse darauf wirken.

Um es kurz zu machen: Die Ergebnisse sind eindeutig. Wie viel privates im Arbeitsumfeld zugelassen wird, ist vor allem davon abhängig, wie das Management sich versteht und tickt.
Kurz: Modernes Management schlägt traditionelle Ansätze in vielen Aspekten der (Zusammen)Arbeit, teilweise sehr deutlich. Es verschafft den Mitarbeitenden damit nicht nur ein besseren, würdigeres Lebensgefühl, sondern den so geführten Unternehmen zugleich signifikant bessere Erfolgsaussichten. Es schafft Arbeitssituationen und -raum, der für die meisten Mitarbeitenden deutlich angenehmer und attraktiver ist. Modern geführte Unternehmen sind (mindestens) in den Bereichen workLIFE und Erfolg, traditionell gemanagten weit voraus.

Damit hat die Entscheiderriege in den Unternehmen, Geschäftsführungen und Management, die Wahl. Sie entscheiden, auf welchen Ansatz das Unternehmen für die Zukunft setzt. Sie bestimmen auf einer zumeist sträflich vernachlässigten Ebene mittel- und teils unmittelbar über den künftigen Weg und Erfolg. 

Moderneres Managementdenken und -handeln hat vielfältige positive Wirkungen auf die Organisation und das workLIFE, und damit nicht nur auf das Employer Branding, auf die Fluktuation oder den Krankenstand, sondern insbesondere auch auf die Leistungs-, Innovations- und Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit, sowie den mittel- und langfristigen Unternehmenserfolg. 

Beim workLIFE Barometer 2023 standen die Details von vier relevanten workLIFE Elementen: ‚workLIFE experience‘, ‚workLIFE framework‘, ‚sustainable workLIFE‘ und ‚future workLIFE‘ im Fokus. Zusätzlich wurden auf dieser Basis die Potenziale und Realitäten rund um die Themen ‚Wirkung‘ und ‚Würde‘ erhoben. Diese Aufgliederung erlaubt eine differenzierte Betrachtung und vor allem auch ein gegliedertes  Vorgehen zur Verbesserung der Situation, ohne das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren.

Das Resultat: Es ist eher schlecht als recht, um das Thema workLIFE und die Wirkung sowie die Würde in den betrachteten Unternehmen bestellt. Nur wenige Unternehmen, besonders diejenigen, in denen moderne Managementansätze genutzt werden, können sich weit vor der Masse positionieren. Diese Unternehmen besitzen einen deutlichen Vorsprung bei allen erhobenen Erfolgsparametern. Ihnen gelingt es besser, ihre Fähigkeiten und Ressourcen  zielgerichtet einzusetzen. Sie besitzen zufriedenere, loyalere Mitarbeitende, die bereit sind, sich stärker zu engagieren und zuversichtlicher in die Zukunft blicken. Sie haben langfristig deutliche bessere Voraussetzungen (geschaffen), als Unternehmen, die nach eher traditionell Managementansätzen gemanagt und geführt werden. 

Sie liegen bei dem wichtigen Thema ‚Wirkung‘ im Durchschnitt um 50% vorne und auch die Wahrnehmung der ‚Würde‘ der Mitarbeitenden sind sie um ca. 35% besser. Die Top-Unternehmen unter ihnen übertreffen diese Werte nochmals um den gleichen Faktor.

Ähnliches gilt für die vier weiteren betrachteten Dimensionen im workLIFE Barometer. Hier wird ein weiterer wichtiger Aspekt sichtbar: Die Strukturgröße. Innerhalb der Teilnehmergruppe nutzt eine Mehrzahl der kleineren Strukturen (bis 50 Mitarbeitende) bereits moderne Managementansätzen. Insbesondere diese zeigen, auch im direkten Vergleich zu kleinen, aber eher traditionell geführten Einheiten, deutlich bessere Ergebnisse. (Da lediglich sieben Teilnehmer aus traditionell geführten kleinen Einheiten stammten und dies statistisch nicht als relevant angesehen werden kann, wurde hier im Detail nicht weiter differenziert.)

Um im Weiteren eine statistisch erträgliche Betrachtung zu ermöglichen, habe ich für die folgenden Grafiken und Aussagen folgende Cluster gebildet: 

  1. Unternehmen mit einem modernen Management und weniger als 50 Mitarbeitenden (11 Teilnehmer)
  2. Unternehmen mit einem modernen Management und mehr als 50 Mitarbeitenden (14 Teilnehmer)
  3. Unternehmen mit einem traditionellen Management und mehr als 500 Mitarbeitenden (22 Teilnehmer)
  4. Unternehmen mit einem traditionellen Management und mehr als 500 Mitarbeitenden (19 Teilnehmer)

Dies erscheint auf den ersten Blick nicht vergleichbar, der zweite Blick zeigt aber (in statistisch nicht mehr tragbaren Verfeinerungen), in diesen Gruppen relativ einheitliche Werte. 

So ergibt sich…

Abb 2

Abb 2: Ergebnisse zur workLIFE experience

Die workLIFE experience betrachtet in drei Bereichen, inwieweit sich das Privatleben im und mit dem Job vereinbaren lässt. Dabei beleuchtet LIFE @work den Raum, den das Privatleben und die individuelle Entwicklung im Arbeitsleben einnehmen kann. (Diese ist in sehr kleinen Unternehmen zuweilen eingeschränkt.) Im Teil work (in LIFE) wird evaluiert, welche Möglichkeiten die Organisation für Zwischenmenschliches und  Achtsamkeit bietet und workLIFE betrachtet schließlich, wie die Organisation mit wichtigen workLIFE Hygienefaktoren, wie etwa Wertschätzung und Wahlmöglichkeiten umgeht.  

Die Ergebnisse zeigen, außer im LIFE @work, deutliche Vorteile für modernes Management. Allein bei ganz kleinen Unternehmen (gerade bei denen mit weniger als 20 Mitarbeitenden) sind Themen, wie Wertbeitrag und Feedback, offenbar so offensichtlich, dass sie nicht explizit gelebt werden.

Die größten Unterschiede gibt es bei der Entscheidung über Entwicklungsmöglichkeiten (nur 11% in trad. Mgmt-Unternehmen > 500 MA und 76% in modern gemanagt Unternehmen) und beim Versuch gegenseitig auf möglichst stressfreies Arbeiten zu achten (9% bei Unternehmen mit trad. Mgmt und 65% bei Unternehmen mit mod. Mgmt.)

Bedenklich ist auch, dass in traditionell geführten Unternehmen nur 7 % bestätigen, dass darauf geachtet wird organisationale, d.h. geplante, strukturierte Zeitverschwendung zu vermeiden. In modern geführten Unternehmen gelingt dies 42%, also 6-mal häufiger.
Etwas mehr Achtsamkeit bei dem Umgang mit dieser Ressource würde uns allen guttun, wie ich vor ein paar Wochen bereits hier geschrieben habe. Die Ansatzpunkte sind dabei wohlbekannt: Bürokratieabbau, strukturiertere Meetings und zielgerichtetere Teilnehmerlisten, die Reflektion von Aufgabenstellungen und den Abbau von Altlasten in Form von überholten Prozessen und Abstimmungs- bzw. Entscheidungswegen. Vieles könnte wirklich einfach anders und besser gestaltet und getan werden.

Das workLIFE framework blickt stärker auf den organisationalen Rahmen, die Regeln und Parameter für die (Zusammen)Arbeit. Diese haben weitreichenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Organisation. Es gliedert sich auf in die Bereiche: Menschen, Organisation und Erfolgsaussichten. 

Die Menschen und ihre Potenziale sind das Rückgrat erfolgreicher Unternehmen. Damit die Menschen erfolgreich sein können, benötigen Sie vier Elemente, die in diesem Wert zusammengefasst sind: Fokus, Wahlfreiheit, transparente, aufrichtige Kommunikation und Fokus.

Abb 3

Abb 3: Ergebnisse zum workLIFE framework

Die Organisation setzt logischerweise den Rahmen, in dem die Menschen Ihre Leistung erbringen. Sie kann auf die Basisparameter von Vertrauen, Beziehungen und Zusammenarbeit großen Einfluss nehmen.

Die Erfolgsaussichten der Organisation sind Motivation und Resultat des Commitments bezüglich der sich bietenden Gelegenheiten und der geführten Dialoge und Feedbackkultur.

Die Vorteile moderner Managementansätze zeigen sich im workLIFE framework besonders eindrücklich. Auch hier liegen sie durchweg vorne. Außergewöhnlich groß ist die Diskrepanz bei den Werten für die etablierte Feedbackkultur. Die Wahrnehmung, dass Führungskräfte produktive Gespräche über Erwartungen und Leistungen mit ihren Mitarbeitenden führen, haben in den modern geführten Unternehmen 76%, in den traditionell geführten nur gerade einmal 24%. Ähnlich ist es um die Antworten auf die Aussage „Wir halten, was wir unseren Kunden versprechen, mit einer attraktiven Strategie und den richtigen Fähigkeiten“ bestellt. Hier sehen dies bei den modern geführten 92% als gegeben an, bei den traditionell geführten nur 47%. Nicht ganz so groß ist die Differenz bei der Aussage zur Sinnwahrnehmung und dem Grad der Identifikation. Hier stimmen bei den modern gemanagten Organisationen 84% zu, bei den traditionellen mit 52% immerhin gut die Hälfte. 

sustainable workLIFE: Die meisten Unternehmen stehen beim Thema Nachhaltigkeit noch  sehr am Anfang.  

Dies zeigt sich in durchgängig niedrigeren Werten als Ergebnis der Befragung.

Aber auch hier haben moderne Ansätze die Nase vorn.
Die Organisationale Verantwortung setzt sich aus einem breiten Portfolio an Einzelmaßnahmen wie u.a. Fairness, Diversität, der Stärkung des Umweltbewusstseins der Mitarbeitenden  zusammen. Sie ist mit dem workLIFE framework ein Bereich, der hohe Aufmerksamkeit erfordert und zugleich durch zielgerichtete Maßnahmen vergleichsweise einfach bearbeiten lässt.

Abb 4

Abb 4: Ergebnisse zum sustainable workLIFE

Die Bewertung des ökologischen Handelns betrachtet verschiedene Aspekte des Umgangs mit den ökologischen Rahmenbedingungen. Hier gehen Fragen nach der Ressourcennutzung, ökologischen Standards und Energie- bzw. Klimaschonung ein.  

Die gute Nachricht in diesem Kontext: Diversität ist kein Thema. 88% der moderneren (und 54% der traditionelleren) Unternehmen  sind offenbar hinreichend heterogen aufgestellt.
Die schlechte Nachricht: Die Unterstützung der Mitarbeitenden, um den Arbeitsweg oder Dienstreisen klimaneutral zu absolvieren. Hier sind bislang erst 24% der modernen und 17% der traditionellen am Start. 

Und sonst: Die größten Unterschiede gibt es beim Thema Fairness und Equal Pay. Hier sagen 72% der Mitarbeitenden in moderneren Unternehmen, dass das gegeben ist, allerdings nur 37% der traditionellen bestätigen dies für ihre Organisationen. Sicherlich an vielen Stellen eine Altlast, aber eine, an der gearbeitet werden sollte! Die Kollegen aus dem New Pay Umfeld wird es freuen.

Eine fast ebenso große Differenz gibt es bei der Förderung des Umweltbewusstseins. Hier sind zwar 60% der Modernen aktiv, aber nur 29% der traditionellen. Platz drei in dieser Liste geht an die Frage inwieweit die Arbeitszeit selbstorganisiert und selbstverantwortlich bestimmt werden kann. Ja nach Job sicherlich nicht einfach, aber fast immer machbar. Hier sind 72% bzw. nur 44% der Organisationen bislang so weit. 

Future workLIFE dreht sich im Wesentlichen um Trends, die Bereitschaft Experimente zu wagen und das Maß an Zuversicht, mit der die Mitarbeitenden in die Zukunft blicken. 

Bei den Trends ergibt sich ein sehr gemischtes Bild. Während technologische Trends bei den modernen mehr Aufmerksamkeit genießen als bei den traditionellen (68 % vs. 27%) und kulturelle und gesellschaftliche Trends eher sträflich vernachlässigt werden (mod.: 52% vs. trad.:12%), sind organisationale Trends bei allen stärker im Fokus (mod.: 76% vs. trad.: 51%). Dies mag allerdings an der Teilnehmergruppe liegen, die aufgrund meiner Blase diese Themen eher auf dem Schirm hat. Bemerkenswert ist, dass der Wert bezogen auf die Unternehmensgröße überproportional abnimmt. 

Abb 5

Abb 5: Ergebnisse zum future workLIFE

Das mit Experimenten sehr unterschiedlich umgegangen wird sollte nicht verwundern (mod.: 84% vs. trad. 32%). Eher schon, dass bis auf zwei Ausnahmen alle Teilnehmer davon ausgehen, dass ihre Aufgaben NICHT wegfallen werden, die Jobsicherheit also hoch ist. 

Was sonst noch auffällt 

Der Klassiker: Die Organisation der Organisation (und der Führung). Das heißt, die  Managementinstrumente werden nicht oder schlecht genutzt, einiges in und an der Prozesswelt liegt im Argen. Und das vor allem bei den Unternehmen, die sich doch eigentlich auf lang erprobte und gut funktionierende Managementinstrumente verlassen können sollten, sprich bei den traditionell geführten. Hier klagen 71% über Managementinstrumente wie Ziele, Strategien, etc. die keinen Mehrwert liefern und sensationelle 78% über Managementprozesse, etwa Leistungsbewertungen, Zielvereinbarungen etc. die keine Nutzen für ihre Arbeit besitzen. 

Ein Problem in diesem Kontext: Menschen mit etwas Abstand zum shopfloor, meist diejenigen in Führungsverantwortung, sehen die Welt einiges rosiger, als der Rest der Belegschaft. Damit ist die Gefahr groß, die Notwendigkeit von Anpassungen nicht zu erkennen, oftmals, weil es keinen Austausch, keine Dialoge dazu gibt. In den Ergebnisses des Barometers zeigt sich ein systemisch bedingter Dunning-Kruger-Effekt, da viele Führungskräfte annehmen (müssen), dass die Dinge funktionieren. Ein Effekt, der sich in dieser Befragung wieder einmal zeigt und mir auch im Kontext der Management Twins immer wieder begegnet.

Last but noch least: Der workLIFE framework als Gesamt(kunst)werk, zu dem unter anderem auch die gerade genannten Managementinstrumente und -prozesse gehören. Dieser strukturelle Rahmen mit seinen Regeln, gelebten Grundsätzen, Annahmen und (oftmals) Vorurteilen über „die Welt da draußen“, dessen zugehörige Fragen ich mir aus den Management Twin Betrachtungen ausgeliehen habe, ist bei vielen ziemlich wackelig und wenig robust. Im Durchschnitt kommen alle betrachteten Unternehmen hier nur auf 55 von 100 Punkten. Wobei auch hier die modernen mit 70 Punkten den traditionellen (47 Punkte) weit voraus sind. Ein Thema, das gerade diese zunehmend vor Probleme stellen wird. Denn hier geht es um den organisationalen Kern der Geschäftstätigkeit und damit um die Frage, wie viel Resilienz und Stabilität die Organisation als strukturelles Objekt und System in sich trägt. 

Soviel zu den Ergebnissen des Barometers. Stellt sich die Frage, was nun getan werden kann. 

Die Teilnehmer können anhand der Befragungsergebnisse identifizieren, an welchen Stellen es sich lohnt zu investieren. Aber auch aus den Mustern in den Gesamtergebnissen lassen sich allgemeine Handlungshinweise ableiten. 

Als Mitarbeiter:in würde ich mir ganz genau ansehen, ob mein Arbeitgeber mir eine Arbeitssituation bietet, die ich als würdevoll empfinden kann. Die allererste Frage ist dabei, welche Art Managementphilosophie verfolgt wird. Wird eher traditionell geführt oder modern und bei welcher fühle ich mich am wohlsten? Die zweite grundsätzliche Frage: In welcher Unternehmensgröße passen die Dinge für mich am besten? In kleinen Unternehmen ist die Interaktion meist besser, aber die Sichtbarkeit des einzelnen geht im gemeinsamen Ergebnis eher unter. Zugleich ist die individuelle Chemie zwischen allen Kontaktpersonen hier wichtiger. Die nächste Frage für mich wäre, die nach möglichen Entwicklungsschritten. Wer kann und darf darüber entscheiden, welches Mitspracherecht und welche Optionen habe ich bzw. wer muss sie ermöglichen oder zustimmen?

Eine, sicherlich NICHT letzte wichtige Frage wäre für mich, wie mit Stress und (systemischer und struktureller) Zeitverschwendung umgegangen wird, denn am Ende geht es auch um die Gesundheit und Lebenszeit jedes einzelnen.

Als Recruiter oder Personal-/Organisationsentwickler würde ich mir nochmal genau ansehen, wie man die Erledigung der jeweiligen Aufgaben mit mehr Wahlfreiheit und Entscheidungskompetenzen aufwerten kann. Das passt auch in den Kontext der oftmals maroden Managementinstrumente und -prozesse. Ein weiteres Thema ist das der Strategiekommunikation (und wahrscheinlich auch Entwicklung). Hier fehlt es häufig am Gefühl der Einbindung und Beteiligung am Entstehungs- und Implementierungsprozess. Zu oft fallen Strategien „vom Himmel“ und sind auf der Arbeitsebene wenig hilfreich, weil dort am konkreten Bedarf vorbei bzw. mit so wenig handlungsleitender Klarheit formuliert wird, dass sie einfach auch nicht betrachtet, beachtet und erfüllt werden kann.
Wer in eher traditionell geführten Strukturen arbeitet, sollte zusätzlich über Alternativen in den Bereichen wechselseitiger Vertrauensaufbau, und damit meine ich explizit auch Systemvertrauen und Vertrauen in die Führung, sowie Potenzialentfaltung und Nutzung der Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeitenden nachdenken. Ein weiterer Punkt ist das Thema (gefühlte und wahrgenommene) Fairness und Equal Pay. Manchmal mag es reichen in diesen Bereichen offener zu kommunizieren und keine Geheimnisse und Gerüchte zu forcieren, oft braucht es allerdings ein größeres Umdenken.

Und als Entscheider, (Top-)Führungskraft oder als Teil einer Geschäftsführung würde ich die Ohren spitzen und in den Dialog mit den Mitarbeitenden gehen, um zu klären, ob sie eines oder mehrere der hier genannten Themen (ebenso) kritisch sehen. Gerade die eher langfristigen und strategischen Themen sind es, die hier Beachtung finden sollten und können. Equal Pay ist eines davon. Aber insbesondere der gesamte Bereich der Nachhaltigkeit erfordert mehr Beachtung, auch weil es zunehmend zu einem erfolgskritischen Faktor wird, wenn das Umfeld und die eigenen Mitarbeitenden hier weiter sensibilisiert werden. Hier schließt sich, , wie die Befragung zeigt, vor allem für die eher traditionell geführten KMU zeigt, der Punkt gesellschaftliche und soziale Verantwortung an. Unternehmen können schnell in die allgemeine Kritik geraten, andererseits können sie von positivem Wirken in diesem Bereich aber auch enorm profitieren. 

Die Zahlen zeigen, dass in allen Unternehmen das Managementinstrumentarium mindestens eine Reflektion, oft auch ein Update benötigt. So manches der lange genutzten Werkzeuge und Denkmuster verhindern und bremsen mehr als sie nutzen.

Ich persönlich halte Beiräte z.B. zum Thema Nachhaltigkeit, gesellschaftliche Einbindung, aber auch zur Management- und Führungsentwicklung für besonders hilfreiche Gruppen, da sie, mit mehr Abstand zum Unternehmen und ggf. mehr Nähe zu den speziellen Themenblöcken, als zugleich als Radar und Reflektionsfläche für die Entscheider in den Unternehmen dienen können. Sie können auf sehr smarten Wegen zu mehr Wirksamkeit der Organisation beitragen ohne als Berater zugleich zu sehr ins System einzugreifen. Hier ist eine langfristigere Begleitung oft mindestens ebenso wirksam.  

Denn es sollte klar sein: Ziel ist es, die Wirksamkeit sicherzustellen und kontinuierlich zu verbessern. Dazu sind gerade die Themen aus den Bereichen „workLIFE experience“, „workLIFE framework“ und „future workLIFE“ besondere Indikatoren.

Mehr Details und Grafiken werden in den nächsten Tagen auf www.guidobosbach.com veröffentlicht und als PDF verfügbar gemacht. Bei Interesse einfach vorab melden.

Das workLIFE Barometer kann weiterhin, gegen eine Schutzgebühr, als erweiterte Checkliste und Basis für die Ableitung von Handlungsoptionen genutzt werden. 

Weitere Infos: 

Das workLIFE Barometer 2023 ist mein Projekt, unabhängig von einer Projektbeauftragung. Die Methodik wurde exklusiv für diese Studie konzipiert. Mit dem zugehörigen Arbeitgebersiegel unterstütze ich auf Wunsch Organisationen bei der Weiterentwicklung ihres Managementansatzes. Kontakt: guido@guidobosbach.com oder presse@guidobosbach.com

Du kannst diesen Beitrag hier als PDF herunterladen.

Würde mehr Würde Arbeit verändern?

Würde mehr Würde Arbeit verändern?

Würde ist ein großer Begriff, zudem ein Begriff mit vielen Definitionen und so vielen Variationen, wie es Menschen gibt. Und es ist ein Begriff, der im Kontext Arbeit bislang erstaunlich wenig vorkommt. Dennoch, oder gerade darum ist er im Zusammenhang mit unserer Arbeit wichtig. ‚Würde‘, so wie wir sie im Arbeitsalltag erleben, sollten wir (zumindest) auffassen als etwas, das Ohnmacht und Entwürdigung vermeidet und zu der individuellen Wahrnehmung eines glücklichen Lebens führt. 

Dabei umfasst ‚Würde‘ mehr als die klassisch(-neuen) Ansätze wie Sinn/Purpose, Meaning/Bedeutung oder die Möglichkeit zur Selbstorganisation. ‚Würde‘ in diesem Kontext bedingt ein systemisches Verständnis der Zusammenhänge (statt der Einzelmaßnahmen) und trägt zugleich einen moralisch/ethischen und damit zwischenmenschlich-kulturellen Anteil in sich.  

Was das im Arbeitsleben bedeutet, lässt sich mit Antworten auf drei Reflektionsfragen relativ gut um- bzw. beschreiben (inspiriert von Peter Bierls „Eine Art zu Leben“) : 

  1. Eine Frage zum individuellen Umfeld: Wie behandeln mich die anderen, d.h. mein Arbeitgeber / die Organisation, meine Führungskräfte und meine Kollegen?
    Konkreter: Was darf man mir auf keinen Fall nehmen, wenn man seine Würde schützen will? Was würde dazu führen, dass ich mich ohnmächtig und entwürdigt fühle?
  2. Eine Frage zur persönlichen Sicht: Welche meiner Denk- und Handlungsmuster führen dazu, dass ich meine Würde bewahre und wodurch könnte ich sie verspielen? Wie baue ich eine würdige Wahrnehmung meiner selbst auf und wie, bzw. wobei riskiere ich diese in der Organisation?
  3. Eine Frage zu Emotionen und Bedürfnissen: Welche Art mich selbst zu sehen, zu bewerten und zu behandeln, gibt mir das Gefühl von Würde? Was brauche ich von mir, um meine Arbeit als etwas Positives für mein Leben wahrzunehmen? 

In der Zusammenschau ergibt sich ein recht ehrliches Bild davon, was man individuell als würdig und würdevoll annimmt. Es zeigt auf, was man als wirklich, ja fast existenziell wichtig für sich erkennt. 

Wofür ist Würde wichtig?

Wo ich mich akzeptiert und gewürdigt fühle, bringe ich mich mehr ein, als in einem Umfeld, dem ich, aus eigenem, wiederholten Erleben, egal bin und das mir, als Reaktion darauf, auch egal ist. Würde ist damit das zentrale Grundelement und der Kern der Antwort auf die Frage, worum es (den meisten Menschen im Job und im Leben) wirklich geht. 

Das Problem, das ich immer wieder sehe: In einer Tradition der (Über)Reglementierung hat sich so etwas wie „institutionelle Entwürdigung“ etabliert. Viele kleine und in der Menge doch beträchtliche Regeln, Normen und Vorgaben, die in vielfältiger Weise, mit kleinen und großen Einflüssen entwürdigend wirken. Sie vermitteln, dass es nicht erwünscht ist und auch nicht lohnt, Erfahrungen, Kompetenzen, Menschlichkeit, einzubringen, sondern verweisen darauf, dass alle Eventualitäten bereits geregelt sind – und andere einfach nicht vorkommen können und dürfen. Oder sie machen das Abweichen von etablierten Wegen so aufwändig und unattraktiv, dass niemand, dessen Hausverstand noch funktioniert, auch nur im Mindesten auf die Idee kommt, die Dinge einfacher, stringenter und besser machen zu wollen. Den Menschen so die Nutzung ihrer wichtigsten Ressource zu vergrämen ist entwürdigend.

Würde bedeutet in diesem Kontext daher auch die Freiheit, Entscheidungen, die die eigene Arbeit betreffen, unabhängig treffen zu können.  

Wie ist es um Deine Würde bei der Arbeit bestimmt?