Erfolgreiche Change-Strategien: Wie Sie den Wandel gezielt gestalten

Erfolgreiche Change-Strategien: Wie Sie den Wandel gezielt gestalten

Zusammenfassung

Das Thema “Veränderung” ist allgegenwärtig, dynamisch und komplex, besonders in Organisationen. Es erfordert bewusstes und reflektiertes Handeln, unabhängig von der Größe der geplanten Veränderung. In diesem Text werde ich eine Metaanalyse erfolgreicher Change-Ansätze mit einer Betrachtung des Entwicklungszyklus von Organisationen kombinieren, um die Erfolgschancen zu steigern. Eine Umfrage zeigt, dass die meisten Menschen Veränderungen bei Denk- und Handlungsmustern ansetzen würden. Dies kann nur gelingen, wenn wir die Rahmenbedingungen und die Organisationsstruktur anpassen. Im folgenden Beitrag werde ich weitere Hintergründe und Tipps dazu bieten.

Deep Dive

Über „Change“ braucht man nicht mehr viel zu schreiben. Dazu kann jeder Change-Manager ganze Bücher beitragen. Ansätze gibt es gefühlt so viele, wie es Change-Projekte gibt.  

Und doch, triggert es mich, denn auch beim Change ist der Weg der Erkenntnis und die Entwicklung neuen Wissens noch lange nicht abgeschlossen. Eine neue Metaanalyse zusammen mit einer (mir) schon länger bekannten Art Unternehmenssysteme zu sehen und zu verstehen, sind der Grund, warum ich mich nochmal dazu äußere. Ich denke, es lohnt, das Fass an dieser Stelle nochmals aufzumachen. Aber entscheide selbst.

Ich führe hier drei Dinge zusammen, erstens die Ergebnisse einer Metaanalyse zu den Rahmenparametern erfolgreicher Change-Projekte, zweitens eine vergleichsweise neue Art Entwicklungszyklen von Unternehmen zu betrachten und zu verstehen und, last, but not least, eine kleine Umfrage, die ich in dem Kontext gestartet habe und die zeigt, wie wichtig es ist, die ersten beiden Themen im Zusammenhang zu betrachten. 

„Die erfolgreichsten Ansätze zum Führen von organisatorischem Wandel“

Im Harvard Business Review haben Deborah Rowland, Michael Thorley, und Nicole Brauckmann im April unter dem Titel „Die erfolgreichsten Ansätze zum Führen von organisatorischem Wandel“ die Zusammenfassung der Ergebnisse einer Metastudie veröffentlicht (https://hbr.org/2023/04/the-most-successful-approaches-to-leading-organizational-change). Im Rahmen dieser Studie haben sie vier typische Vorgehensweisen identifiziert, von denen zwei mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern und zwei andere mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sind. Diese beiden, der „Masterful Change“ und der „Emergent Change“ reflektieren sehr unterschiedliche Grundannahmen und Selbstverständnisse der Führungskräfte und sind, aufsetzend auf die jeweils dazu passenden Basisparameter und Strukturen, damit auch sehr erfolgreich. 

Ein „Masterful Change“ findet laut den Autoren statt, wenn (in meinen Worten) 

  • das Top-Management die Richtung und Rahmen vorgibt,
  • sie die Führungskräfte innerhalb von Richtung und Rahmen frei arbeiten lassen,
  • die Führungskräfte sich gerne mit Zeit und Energie einsetzen,
  • die Stakeholder intensiv eingebunden werden,
  • die Führungskräfte, Beteiligten und Betroffenen Freiheit bzgl. Details der Implementierung besitzen,
  • bei Betroffenen und Beteiligten Change Kompetenzen aufgebaut werden können,
  • ein Netzwerk zum Austausch und Wissenstransfer gefördert wird und entsteht. 

Der Ansatz schafft ein Gefühl des „Gemeinsam schaffen wir das“ bei dem die individuellen Rollen und Aufgaben so bedeutsam erscheinen, dass die handelnden Personen sich gerne engagieren. Dieser Ansatz ist andererseits mit einem hohen Aufwand bei allen Beteiligten verbunden, besitzt aber eine hohe Wahrscheinlichkeit qualitativ vergleichbare Ergebnisse in der gesamten Organisation zu erzielen. 

Er eignet sich damit gut für Veränderungen, die unternehmensweit gleichmäßige bzw. gleiche Ergebnisse liefern sollen. 

Emergent Change“ verläuft sanfter, ist dafür aber auch weniger konkret und vergleichbar in den Ergebnissen. Bei ihm

  • gibt das Management eine vage Idee und Intention, aber keine klare Richtung vor,
  • wird der Rahmen durch wenige aber sehr klare und eindeutige Regeln definiert,   
  • sind die Führungskräfte frei in der Wahl ihres Fokus und können sich Raum für Experimente nehmen, 
  • erhalten die Führungskräfte schnelles Feedback und damit die Chance zur Reflektion und zur Verbreiterung und Vertiefung von Change Know-how bei sich und den Beteiligten, 
  • ergeben sich  gegebenenfalls divergente Entwicklungen in den unterschiedlichen Teilorganisationen,
  • müssen die Führungskräfte Entwicklungen im eigenen Bereich und bei anderen intensiv beobachten und sich mit anderen, parallel aktiven Gruppen austauschen,
  • stellen die Führungskräfte „nur“ den Rahmen für die zu gehenden Schritte,
  • bringen die Beteiligten gemeinsam organisiert die Entwicklung voran.

Emergent Change eignet sich besonders für schnelle Veränderungen, bei denen es keine negativen Auswirkungen hat, wenn in den verschiedenen Teilorganisationen unterschiedliche Lösungen implementiert werden.

Die anderen beiden identifizierten Changetypen werden als „Directive Change“ bzw. „Self-assembly Change“ bezeichnet. 

Beim „Directive Change“ wird der Veränderungsprozess sehr eng von den Führungskräften gesteuert und kontrolliert, ohne aber die Betroffenen und Beteiligten aktiv einzubinden. Sie bzw. ihr Umfeld soll verändert werden, ohne, dass die Einfluss nehmen oder selbst hilfreiche Kompetenzen aufbauen können. Ein Ansatz, der schon heute häufig scheitert und in der Zukunft auch keine Aussichten auf zurückkehrenden Erfolg mehr haben wird. 

Beim „Self-assembly Change“ wird zwar von den Top-Führungskräften entschieden und eng kontrolliert, was zu tun ist, die Betroffenen werden aber mit der Lösung im Wesentlichen alleine gelassen. In der Folge werden, gerade bei umfassenderen Change-Projekten, die in vielen kleinen Einheiten sehr unterschiedlich umgesetzt werden, auch sehr viele unterschiedliche Ergebnisse erzielt. Vom totalen Scheitern bis zum 100% Erfolg ist alles möglich. Meist bleibt ein bisschen was bei den Betroffenen hängen, aber Nutzen stiftet das Vorgehen kaum.

Insgesamt zeigt sich , dass der Erfolg wesentlich davon abhängt, welcher Rahmen für das Denken und Handeln in der Organisation etabliert wurde. Dazu lohnt sich noch einmal den Entwicklungszyklus einer Organisation anzusehen. 

Constitution > Concept > Construction > Chaos  usw.

In Organisationen lassen sich regelmäßig vier Phasen eines Entwicklungszyklus beobachten. In ihnen werden die Grundlagen für sehr unterschiedliche Elemente des späteren Gesamt(Kunst)Werks gelegt werden. 

  1. Constitution: In den Anfangstagen eines Unternehmens, einer Organisation oder auch „nur“ eines Team wird bewusst oder unbewusst „festgelegt“, nach welchen Basisparametern und mit welchem kulturellen Kern es agieren wird. Es geht um Frage wie: „Was ist die Aufgabe/den Auftrag?“, und „Wie wollen/sollen die Menschen darin miteinander und mit anderen umgehen?“. Die Antworten auf diese Fragen sind naturgemäß so unterschiedlich, wie die Themen und die Menschen. Damit ist diese Grundlage auch immer eine unterschiedliche. Geht es etwa darum, als Startup eine neue Idee mit allen verfügbaren Ressourcen und Ideen aggressiv in den Markt zu tragen, stellt man sich anders auf, als beim Versuch eine Ladengeschäft etablieren, das die Kunden begeistert und dessen Lieferanten ihre Marge minimieren. Es geht bei den Fragen darum, das übergreifende Ziel zu schärfen, das idealerweise dazu dient, Menschen dahinter zu vereinen und ihnen einen Identifikationspunkt zu geben. Zugleich geht es darum, das „Wie“ des Miteinanders zu klären. Giftet man sich an? Ist man übertrieben freundlich? Darf, muss, soll man ehrlich und vertrauenswürdig agieren? Alles hat seinen Zweck und zugleich Auswirkungen. Darum ist es so wichtig. Hier werden die Grundlagen des Gesamtsystems gelegt und diese sind, da sie sehr tief in der Gesamtstruktur stecken, ausgesprochen hartnäckig, falls man später etwas dran drehen und verändern will. Also aufgepasst!
  1. Concept: Die zweite Phase geht es um Rollen, Richtlinien und Regeln. Sie dient dazu, aufs der „verfassungsgebenden“ Idee Grundprinzipien der Zusammenarbeit abzuleiten und zu verankern. Dabei sind die wichtigsten Fragen: „Welche Rollen und Aufgaben gibt es im Unternehmen?“, „Wonach richten wir uns?“ „Wie viele und welche Regeln helfen uns zugleich fokussiert und anpassungsfähig zu sein?“ Die Concept-Phase ist die, in der die Grundlagen für Entscheidungs- und damit Machtstrukturen gelegt werden. Hier entscheidet sich, wie zentral oder dezentral, wie eigenständig oder eng geführt, wie stabil oder flexibel die Organisation agieren kann. 
  1. Construction: Aufsetzend auf der Constitution und dem Concept werden hier Antworten auf Frage nach (Macht)Strukturen, Hierarchien, Prozessen und Entscheidungswegen implementiert. In der Construction werden Aufgaben definiert und Rollen festgelegt. Es ist die Zeit der Detailplanung und der Arbeit in der Tiefen der Wertschöpfungsketten und Ablaufplanungen. 
  1. Chaos: Und dann treffen alle diese wichtigen und oft richtigen Überlegungen auf das reale Leben. Meist wächst das Chaos mit der Arbeitsbelastung an. Manches, was als hilfreiche Struktur gedacht war, offenbart sich als schwarzes Loch. Manche Rollen erscheinen überflüssig, manch übermächtig, wieder andere können von ihren Inhabern nicht ausreichend ausgefüllt werden. Themen, die übersehen wurden oder neu auftauchen, etablieren sich (wie) von selbst oder verlaufen im Sande und streuen Sand in die so perfekt eingestellten Zahnräder des Zusammenspiels in der Organisation. Die Notwendigkeiten stellen die vielen guten Ideen gnadenlos auf den Prüfstand. Neben dem, was wirklich gut durchdacht war, überlebt auch so manches Element, dem plötzlich der Kontext abhandengekommen ist. Dieses Unplanmäßige erzeugt, wenn es unerkannt bleiben oder nicht angesprochen werden darf oder kann, ein wachsendes Unwohlsein, Unmut und Demotivation. Kluge Unternehmen haben daher mitten im Chaos Fluchträume und Reflektionspunkte etabliert, in denen man gemeinsam über Anpassungen in den drei ersten Phasen nachdenken und diese einbringen kann. Wem das nicht gelingt, der versinkt nach und nach im Chaos.

Zeigt sich nun die Notwendigkeit Veränderungen vorzunehmen, ist es wichtig zu erkennen, auf welcher Ebene bzw. in welcher Phase diese ansetzen sollten. Denn Menschen sind zwar unglaublich anpassungsfähig, aber sie passen sich nur ungern aufgrund direkten (sozialen oder hierarchischen) Drucks an. Die Entwicklung vollzieht sich leichter, wenn Sie sich „nur“ an verständlich gemachte, für alle gleichermaßen geltende und konsequent umgesetzte und eingehaltene, neue Rahmenbedingungen anpassen müssen. Die Umwelt und das Umfeld prägen das Verhalten des einzelnen. 

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In meiner Umfrage hatte ich danach gefragt, wo die Teilnehmenden einen Veränderungsprozess starten würden. 53% würden bei den Denk- und Handlungsmustern ansetzen, 19% bei Macht(&)Strukturen und 23% bei Vorgaben und Prozessen. 

Egal, welchen Ansatz man konkret nutzen will, das „Chaos“ ist kein geeigneter Ort, um das zu tun. 

Denk- und Handlungsmuster werden, sofern sie grundlegend sind, in der „Constitution“, und wenn sie mehr den Alltag beschreiben, im „Concept“ festgelegt. Der Hebel für „Macht(&)Strukturen“ findet sich vor allem im „Concept“ und teilweise in der „Construction“ während „Vorgaben und Prozesse“ sich in der „Construction“ finden. 

Hier gibt es bewusst und reflektiert zu betrachten, welche Zielsetzung die geplante Veränderung hat und welche Stellschrauben dazu gedreht werden müssen. Doch Vorsicht! An einer Schraube zu drehen, hat immer auch Auswirkungen auf die benachbarten Schrauben. Jede Veränderung am System zieht Wirkungen an anderen Stellen nach sich, die wiederum auf die ursprüngliche Veränderung wirken können. Es ist ein Eingriff in ein System, der durchdacht und behutsam erfolgen sollte. Am Menschen selbst sollte er (fast) nie ansetzen, denn das diese Individuum umgebende soziale System ist so komplex und dynamisch, dass die Auswirkungen selten im Vorfeld bedacht werden können. 

Die Organisation ist ein System, das dauerhaft inneren und äußeren Einflüssen ausgesetzt ist, und das sich zudem selbst beeinflusst. Dieser systemische Zusammenhang macht jede organisationale Veränderung schwierig. Um so wichtiger ist es, diese mit hinreichender Ruhe und Sorgfalt anzugehen.   

Mein Rat

Die erste Frage sollte sein: Worum geht es wirklich? 

Daran schließt sich ganz natürlich an: Was ist wichtig? Sollen die Beteiligten ihre Kompetenzen vergrößern? Sollen möglichst einheitliche Ergebnisse am Ende stehen oder darf bzw. soll eine gewisse Vielfalt entstehen, die gegebenenfalls die Resilienz des Unternehmens stärkt? Wie sehr kann und will die Top-Managementriege die Entwicklungen laufen lassen oder kontrollieren? Wie schnell soll der Prozess ablaufen? Ist Zeit oder drängt es? 

Die Antworten ergeben, wie an einem Audiomischpult, eine Grundstimmung, mit dem man das Gesamtwerk weiter planen kann. 

Dann kann man darüber nachdenken, welche Auswirkungen die Entscheidung über den Change-Ansatz für die Umsetzung hat. 

Wer Change umsetzen will und dabei etwa darüber nachdenkt „Denk- und Handlungsmuster“, „Macht(&)Strukturen“ und/oder „Vorgaben und Prozesse“ zu ändern, muss immer auch die Rahmenbedingungen und Basisparameter im Auge behalten und sollte dort ansetzen, statt beim Menschen. Die organisationalen, sozialen und am Ende auch gesellschaftlichen Werte und Normen prägen unsere Umgebung und uns. Es ist wie in der Oper oder im Fußballstadion, Menschen wissen, welchen Normen sie entsprechen sollten (zumindest die meisten), was toleriert wird und was nicht.

Einzelnen oder Gruppen eine Verhaltens- oder gar Haltungsänderung aufzuzwingen ist hingegen frei von jeder Sinnhaftigkeit und bringt nur Stress und Demotivation für alle Beteiligten. 

Zusammenarbeit und die zugehörige Kultur mit ihren Werten, Normen und ihrer Ethik sind das, was entsteht, wenn Menschen unter gewissen Rahmenbedingungen zusammenkommen. Diese Rahmenbedingungen sind gestaltbar und sollten immer wieder bewusst auf ihre gewünschten und nicht-gewünschten Wirkungen hin betrachtet werden. 

Last, but not least: Sich vom Alten lösen

Nicht nur im Change gilt: Es wird immer Abhängigkeiten zum Beispiel von vorherigen Entscheidungen zu Produkten, Prozessen, Strukturen etc. geben. Manche dieser Abhängigkeiten lassen sich voraussehen, andere tauchen erst im „Chaos“ auf. Viele davon sind für die Beteiligten selbst unsichtbar, weil sie im Arbeitsalltag den sprichwörtlichen Baum im Wald nicht mehr sehen können. Hier ist dringend Hilfe von unbeteiligten Außenstehenden angeraten, sonst besteht die positiv gemeinte Weiterentwicklung zu torpedieren, oder gar im Keim zu ersticken. Neue Perspektiven und veränderte „Flughöhen“ bringen auch hier oft einen frischen Blick auf neue Möglichkeiten. 

Wir haben New Work kaputt gemacht

Wir haben New Work kaputt gemacht

Von der Idee ist kaum mehr ein spärlicher Rest geblieben.

Wir haben uns stets bemüht, wenigstens Teile davon hinzubekommen. Frithjof Bergmann war mit der Idee gestartet, einen Gegenentwurf zum Kapitalismus der 70‘er Jahre zu formulieren. Ihm ging es darum, grundlegenden menschlichen Bedürfnissen (Wahlfreiheit, Selbstständigkeit/-wirksamkeit und Teilhabe/Zugehörigkeit) Raum zu geben. In einer Zeit, in der man seinen Arbeitgeber nicht wechselte und der vorgegebenen Karriereleiter folgte, das Ziel maximale Jobsicherheit war und Massenentlassungen undenkbar schienen, gehörte der Mensch einfach noch dem Unternehmen. Fertig. Abhängigkeit = Sicherheit. Der Chef als (meist) wohlwollender Diktator, der vieles schon richtig machen und den Rest schon irgendwie richten wird. 

Die Idee, dem Primat des Kapitals (und dem hierarchischen Top-down) ein wenig Menschlichkeit und vielleicht sogar Ökologie, wenn auch nicht gegenüber, so doch zumindest zur Seite zu stellen war da schon immens radikal, einfach unglaublich weit weg – im Grunde utopisch.

Und jetzt? Jetzt bezeichnen wir technisch seit über 20 Jahren mögliche Home Office Lösungen als „neue Arbeit“, betrachten flexible Arbeitszeitmodelle und 4-Tage-Wochen noch immer argwöhnisch, fordern „mehr Bock auf Arbeit“  und haben nicht verstanden, dass es längst um viel, viel mehr geht, als Arbeit zu haben, die man wirklich, wirklich gerne macht.

New Work, so wie es Bergmann verstanden hatte, aber auch so wie das Update der New Work Charta es sieht (New Work = Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und Soziale Verantwortung), ist kaputt. Nicht weil die Ideen schlecht sind, sondern weil wir, in einer uns zunehmend zu komplexen und überfordernden Welt, versuchen Bruchstücke als das Ganze wahrzunehmen und denken, damit dann alles erledigt zu haben. Wir haben ein mikroskopisch kleines Puzzleteil vor Augen und glauben das ganze Universum in Händen zu halten und zu verstehen. 

Das Problem: Je weiter wir in die Zukunft gehen, desto wichtiger ist es, das Gesamtbild WIRKLICH zu erkennen. Je weiter wir kommen, desto mehr stellen wir fest, dass das eine Element alleine doch nicht wirklich etwas verändert. Je weiter wir sehen können, desto klarer ist, dass wir nur dann noch unsere Lebenssituationen retten können, wenn wir sehr umsichtig und bewusst, aber auch sehr schnell umsteuern. 

Und doch, gibt es etwas, dass schnell alles verändern könnte! So banal es klingt: Wenn wir Arbeit neu verstehen, könnten wir unser Leben besser verstehen, die Grundlagen dafür neu bewerten und vielleicht doch noch Systeme so beeinflussen, dass wir vergleichsweise glimpflich durch die nächsten Jahrzehnte kommen. 

Kluge Unternehmen, und davon gibt es ja glücklicherweise, doch viele, sind da schon auf dem Weg. 

Bislang ist „Leben, um zu arbeiten“ ein seltenes Ideal und „Arbeiten, um zu leben“ und den Lebensstandard zu halten, die Regel. Arbeit, die nicht unbedingt selbstverantwortlich erledigt werden soll, die nicht immer sinnvoll erscheint, die manchmal ihre soziale (und ökologische) Verantwortung eher leugnet als lebt, die kaum Entwicklungschancen, weder für das Individuum, noch für das Team oder das Unternehmen, bietet und bei der die Freiheit daraus besteht, zwischen den notwendig erscheinenden Übeln zu wählen. 

Dabei kann in allen Jobs, in allen Bereichen, allen Branchen, allen Unternehmensgrößen, Arbeit auch so gestaltet werden, dass es Arbeit ist, die ins Leben passt und nicht (nur) umgekehrt, das Leben sich an der Arbeit orientieren muss.

Wir könnten in vielen Bereichen besser und schneller auf die Veränderungen reagieren, wenn wir bei der Art, wie wir Arbeit verstehen und gestalten, umdenken und umsteuern würden. Denn (Erwerbs)Arbeit ist und bleibt auf absehbare Zeit weiterhin das dominante, zentrale Element in unseren Leben.

Ich habe ein paar Fragen gesammelt, die helfen können, den Status zu reflektieren und ggf. die Trendwende in Gang zu setzen:

  • Zur „Quality of LIFE@work“: Was kann ein Unternehmen tun, um die Arbeit ans Leben (der Mitarbeitenden) anzupassen, sodass diese sich bestmöglich einbringen und voll auf die Arbeit konzentrieren können und wollen?
  • Zur „Quality of work (in LIFE)“: Wie nehmen Mitarbeitende ihre Arbeit wirklich (und ungeschönt) wahr? Ist sie reiner Broterwerb, kraftraubend, Zeitverschwendung oder Inspiration, engagierend, energiegebend, und sinnvoll investierte Zeit? Wie wird miteinander umgegangen? 
  • Zur „ Quality of workLIFE“:  Wie können sich Mitarbeitende mit Ihrer Persönlichkeit, ihren Fähigkeiten, Ihrem Entwicklungswillen, ihrem Engagement und allem, was an gutem in ihnen steckt im Job einbringen? Nutzt das Unternehmen alle Möglichkeiten aus, um ihnen Raum zu geben oder engt es sie ein?
  • Quality of work(&family)LIFE
    Welche Möglichkeiten erhalten die Mitarbeitenden, um ihr Familienleben mit ihrer Arbeit unter einen Hut zu bekommen?

Was wären eure Antworten darauf? Kennt ihr, arbeitet ihr in, lenkt und leitet ihr Unternehmen, in denen die positiven Antwortmöglichkeiten den Alltag beschreiben. Es wäre spannend, das zu erfahren. Vielleicht lohnt es, eine Übersicht solcher Unternehmen aufzubauen.

Disclaimer 😉

Auch wenn manche, meine Fragen als zu weit gehend wahrnehmen, ich versuche mich hier nicht an Arbeitswelt-  oder Kapitalismuskritik. Beide wären, aus meiner Sicht und mit Blick auf das, was wir am Arbeitsmarkt, im globalen Wettbewerb und an Klima und Umweltveränderungen in den nächsten Jahren erleben werden, zwar mehr als angebracht, aber, ganz ehrlich, wir leben alle zu gut und bequem damit und davon, um jetzt radikal zu opponieren. Zudem würde es auch unser ohnehin schon angeschlagene gesellschaftliches Gesamtgefüge zu sehr ins Wanken bringen.
Dennoch sollten wir auch diesen Ideen mehr Raum geben und uns in Richtung einer ökologisch-menschlich statt einer ökonomisch geprägten Arbeitswelt bewegen. Statt ums goldene Kalb zu tanzen könnte, es helfen, Kälber auf der Weide zu beobachten – und vielleicht ist das schon ein zentrales Bild. Denn, ehrlich, wer hat in den letzten Jahren wirklich noch Kälber auf Weiden gesehen?

Noch sechs Sätze in eigener Sache: Veränderungen gibt es auch bei mir. Auch meine Angebote und meine Website waren in die Jahre gekommen und brauchen ein Update. Ich denke da ist für jeden, der sich, sein Team oder seine Organisation in eine Richtung, wie ich sie propagiere, weiterentwickeln will, etwas dabei. Einfach mal reinschauen auf www.guidobosbach.com .

Neu ist auch ein Arbeitgebersiegel/-zertifikat für die Unternehmen, die schon in einer neuen Arbeitswelt angekommen sind. Auch hier lohnt sicherlich ein Blick: www.worklife-zertifikat.de

Feedback, positiv und negativ, solange konstruktiv, ist wie immer willkommen.

Ignoranz oder Unwissen? Wie viel Unbewusstheit können Organisationen sich noch leisten?

Ignoranz oder Unwissen? Wie viel Unbewusstheit können Organisationen sich noch leisten?

Als  Partner im Management Insights Netzwerk genieße ich das Privileg, relevante Informationen und die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien schon vor der offiziellen Veröffentlichung lesen und für mich nutzen und bewerten zu können. Aktuell ist es eine Auswertung zum Dunning-Kruger Effekt bei Mitarbeitenden und Führungskräften in Organisationen weltweit, die es lohnt sie auch hier zu thematisieren. 

Was wir als Dunning-Kruger Effekt kennen, ist eine Wahrnehmung, die auch ohne diesen Namen jeder kennt. Die Arbeit von Dunning und Kruger aus 1999 legt nahe, dass Menschen mit vergleichsweise geringem Wissen und Kompetenz neigen, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen, während Menschen mit großer Erfahrung dazu neigen, ihre eigenen Fähigkeiten zu unterschätzen. Dies trifft ebenso auf die Mitglieder von Organisationsstrukturen zu. 

Deutlich erkennbar wird es etwa im teils übermäßigen Selbstvertrauen von Führungskräften und Managern und der Voreingenommenheit bei der Bewertung der Leistung Kollegen und hierarchisch niedriger positionierten Mitarbeitenden. Diese Wahrnehmung prägt dabei das kritische Denken und Entscheidungsprozesse, was sich ganz direkt auf die Leistung der Unternehmen auswirkt. Andererseits wird auch den Führungskräften (Fach)Kompetenz abgesprochen.

Die Auswirkungen dieser Diskrepanz zwischen den Wahrnehmungen von Führungskräften und Mitarbeitenden haben wohl schon viele im eigenen Arbeitsleben erfahren. Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch viele Unternehmen, wie insbesondere auch die Auswertungen der Diagnosedaten von Management Insights aus über 200 Unternehmen weltweit zeigen. 

Einige Bereiche, in denen dieses unterschiedliche Verständnis auftritt und für Probleme sorgt, zeigt auch eine Studie von Gartner aus 2021 zur hybriden Arbeit. Hier fallen drei Elemente auf, die mit bis zu 28% Abweichung von Führungskräften und Mitarbeitenden bewertet wurden:
Die entsprechenden Aussagen, die in der Gartner Studie genutzt wurden, sind:   

  • „Leitende Angestellte handeln im besten Interesse der Mitarbeiter.“
    (FK: 69% Zustimmung vs. MA: 41% Zustimmung)
  • „Führungskräfte berücksichtigen die Mitarbeiter bei ihren Entscheidungen.“
    (FK: 75% Zustimmung vs. MA: 47% Zustimmung)
  • „Führungskräfte kommunizieren effektiv mit ihren Mitarbeitern.“
    (FK: 71% Zustimmung vs. MA: 50% Zustimmung)

Das Misstrauen der Mitarbeitenden gegenüber den Führungskräften ist offensichtlich groß. Die Wahrnehmung von aktiver Beteiligung und einer guten Kommunikation  gering.

Einen detaillierteren Blick liefert die Diagnostik und deren über 200 Auswertungen, die wir in den letzten Jahren bei und mit Management Insights durchführen konnten. In dem zugrundeliegenden Konzept des „Performance Dreiecks“ wird in verschiedenen Abstufungen eine Vielzahl an Elementen, mit meist unmittelbarem Einfluss auf die Zusammenarbeit und speziell auf die in der Organisation gepflegte Kultur haben, betrachtet. So ergibt sich ein wesentlich genaueres Bild, das leider die Hypothese stützt, dass und wie sich der Dunning-Kruger Effekt in Unternehmen weit verbreitet ist.

Die Resultate zeigen, dass vor allem in folgenden Bereichen signifikante Abweichungen existieren:

  • Collaboration, mit der Fragestellung: „Arbeiten die Mitarbeiter effektiv zusammen, indem sie ihr Wissen teilen, um gemeinsame Ziele zu erreichen?“
  • Awareness, mit „Ist man sich der Kräfte bewusst, die Handlungen und Entscheidungen beeinflussen?“
  • Strategy,  „Verstehen Führungskräfte und Mitarbeiter die Spielregeln und die zur Erreichung strategischer und operativer Ziele erforderlichen Maßnahmen klar?“
  • Risk Dialogue, „Haben die Führungskräfte eine klare Vorstellung von den potenziellen Risiken und dem Risikoniveau, das die Organisation tolerieren kann?“
  • Purpose, „Haben die Mitarbeiter einen gemeinsamen höheren Zweck für die Organisation und die Organisationsziele?“

Die starken Abweichungen in den Antworten von Führungskräften und Mitarbeitenden zeigen, wie schlecht es oftmals um (ausreichend) gute Kommunikation, Transparenz, Vertrauen und gegenseitiges Verständnis bestellt ist. 

Das fatale ist, dass ein so unbewusster Umgang mit der eigenen Reflexion und den vielen “unsichtbaren und selten diskutierten” dynamische Fähigkeiten der Organisationen, trotz (oder wegen) des steigenden Drucks, den Erfolg des Unternehmens aktiv schmälert. Häufig entstehen solche blinden Flecken, ‚ManagementBlindSpots‘, wie ich sie nenne, weil Führungskräfte in ihrem Arbeitsalltag keine ehrliche, ernsthafte Verbundenheit mehr aufbauen und pflegen können, sei es aus persönlichen, aber oft auch aus strukturell organisationalen Gründen. Die Regeln und Glaubenssätze der Organisationen lassen das schlichtweg oft nicht zu.

„Diese Störungen durchdringen alle Funktionen und Abläufe im Unternehmen, behindern den Wissensfluss und beeinflussen die Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen.“ wie meine Kollegen Prof. Dr. Herb Nold und Lukas Michel in ihrer Veröffentlichung schreiben. 

Als Folge schätzen viele Führungskräfte die dynamischen Fähigkeiten ihrer Organisation, also die Basiskompetenz, mit komplexen, dynamischen Entwicklungen umzugehen und agil zu handeln, deutlich positiver ein, als ihre Mitarbeitenden. Hinzu kommt, dass eine große Zahl von Führungskräften ihre eigenen Fähigkeiten und die der Gesamtorganisation als deutlich besser und oftmals übertrieben gut bewerten. 

Damit wird auch der viel genutzte Slogan „Unsere Mitarbeiter sind unsere wichtigste Ressource“, ad absurdum geführt. Die Studie deutet darauf hin, dass die Mitarbeitenden dies wesentlich anders wahrnehmen. Dass damit Bereitschaft zur Leistungserbringung und einer engen, koordinierten Zusammenarbeit und einem positiven sozialen Miteinander sinkt, ist kein Wunder. 

Vor diesem Hintergrund ist es ebenso wenig verwunderlich, dass strategische oder Veränderungsinitiativen noch immer zu selten zum Erfolg führen. Solange Führungskräfte davon überzeugt sind, dass die Organisation über alle wesentlichen Fähigkeiten verfügt, die für den Erfolg erforderlich sind, während die Mitarbeiter dies nicht glauben, ist keine Basis vorhanden, auf der schwierige Veränderungen gemeinsam erfolgreich bestanden werden können. Wenn gleichzeitig auch das gemeinsame Verständnis darüber, wohin die Organisation steuert, welche gemeinsame Absicht besteht, wie die gemeinsame Agenda aussieht und welchen gemeinsamen Sinn das Ziel und gemeinsame Verhaltensnormen haben, wird es selbst die beste strategische oder Veränderungsinitiative schwer haben, ihre Ziele erfolgreich zu erreichen. 

Am Ende geht es auch hier wieder um vielfach bereits verspieltes Vertrauen. Einer Eigenschaft und einem kulturellen, ethischen und moralischen Wert, der nicht wichtig genug genommen werden kann und in einer VUCA-Wissenswelt mit der Notwendigkeit dynamische Fähigkeiten zu entwickeln, kultivieren und auszubauen, nicht wichtig genug genommen werden kann.  

„Für Führungskräfte ist Unwissenheit oder Unkenntnis, Überschätzung und Fehleinschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten und der des Unternehmens ein Rezept für das Scheitern. Das Erkennen und Anerkennen dieser inhärenten Voreingenommenheit muss der erste Schritt bei der Gestaltung agiler Organisationen sein.“, so die Autoren der Studie.

Gleichgültig, ob es um Agilität, New Work und andere Veränderungsinitiativen mit einem großen kulturellen Anteil geht, sie müssen alle immer auch die (selbstreflektierte und das Unternehmen bewusst und richtig einschätzende) Top-Ebene einbeziehen. Idealerweise beginnen sie hier und werden mit tatsächlich, ernsthafter Unterstützung (und das betone ich hier ganz bewusst) von dieser mit an- und durchgeführt werden. Ein hohes Maß an Selbstreflexion ist dazu ein wichtiges Gut, das, zumindest zeigt das die Erfahrung, enorm davon profitiert, von einer objektiven Diagnostik begleitet zu werden. Wann immer darauf verzichtet wurde, war der Prozess anstrengender, länger und kostenintensiver!
Die unabhängige, systemische Betrachtung trägt dazu bei, Transparenz und Einsichten in das „unknown unknown“ zu bieten, um die in den Menschen vorhandenen dynamischen Fähigkeiten wirklich heben zu können. Eine noch so gute individuelle Begleitung im Coaching kann das nur selten leisten. Eine Sensibilisierung der Führungskräfte für die “unsichtbaren und selten diskutierten” Lücken im operativen und organisationalen System, hilft, schnell und an den richtigen Stellen, mit geeigneten Hebeln, effektiv einzugreifen und den Gestaltungsprozess in Richtung einer zukunftsgerichteteren, nachhaltigeren, agileren Organisation zu beschleunigen.

So wie ich viele Unternehmen wahrnehme, ist es, gerade jetzt in Zeiten immer unbeständigerer Umfelder, höchste Zeit, die Organisation von innen heraus auf noch mehr Dynamik und Veränderung einzustellen. Zielgerichtete Reflexionsansätze sind dabei wichtige Schlüssel, um den Bereich des unbekannten und unbewussten zu minimieren. 


Hier als Führungskraft aktiv voranzugehen, wirkt sich nicht nur positiv auf die Erfolgschancen des Unternehmens aus. Die gewonnenen Erfahrungen und Kompetenzen verändern die eigene Perspektive und sind ebenso wertvoll für den eigenen Weg. Last but not least geht es auch darum, das Unternehmen für Bewerber attraktiver zu machen. Eine positive Zusammenarbeitskultur, die an vielen Stellen im Unternehmen durch das Denken und Handeln der Mitarbeitenden sichtbar und greifbar wird, entwickelt erfahrungsgemäß eine starke Sogwirkung. Entsprechend sind hier auch HR und Organisationsentwickler gefragt, die Weichen zu stellen.  

Mit Management Insights steht dazu ein weltweites Netzwerk erfahrener, unabhängiger Impulsgeber, Mentoren und Berater, insbesondere auf für eine geeignete Diagnostik, zur Verfügung. Ich kann dazu jeden meiner Netzwerkpartner nur wärmstens empfehlen! 

Gerne informiere ich Sie, sobald die Studie abschließend veröffentlicht wurde. Die erwähnte Gartner Studie finden Sie hier: https://www.gartner.com/en/newsroom/press-releases/2021-08-04-gartner-hr-research-identifies-six-gaps-between-leader-and-employee-sentiment-on-the-future-employee-experience

und

https://www.gartner.com/en/newsroom/press-releases/2021-05-03-gartner-hr-research-shows-organizations-are-eroding-employee-performance-and-well-being-with-virtualized-office-centric-design

Wer gemeinsam mit anderen über dieses oder ein anderes Thema im Kontext vom Wandel in Organisationen nachdenken möchte, dem sie noch einmal herzlichst das Augenhöhe Camp am 16. September 2022 in Hamburg empfohlen. (https://www.xing.com/events/augenhohecamp-hamburg-2022-3940477)

Wer meinen Gedanken und Impulsen zur Weiterentwicklung von Organisationen, zur Entwicklung von Führung langfristig folgen möchte, dem empfehle ich, meine Blognews zu abonnieren. Damit landet ein Hinweis auf neue Blogposts noch vor der Veröffentlichung auf den Social Media Plattformen in Deiner e-mail Inbox.  

Befreit Führung! – Wie(so) zeitgemäße Führung für jeden so wichtig ist!

Was euch hier erwartet?! Ein, ehrlich gesagt, (fast zu) langer Artikel, einer, der (eure) Zeit braucht. Ein tiefer Blick hinein in das, was zeitgemäße Führung bedeutet, wie und warum sie Teil einer Befreiung ist, und nicht zuletzt erste sehr konkrete Fragen und Aufgaben, damit ihr selbst, für euch und für andere, an der Gestaltung zeitgemäßer Führung arbeiten könnt.
Ein Artikel, der trotz seiner Länge ein Anfang sein kann, Führung von seiner angestauten Last zu befreien und erfolgversprechend neu zu gestalten.

 

Führung als Akt der Befreiung zu (er)leben bedeutet Arbeit am Selbst. 

 
Den meisten Unternehmen geht es gut – und damit könnte ich diesen Beitrag eigentlich schon beenden. 
Die Unternehmen, denen es gut geht, sind auf die Zukunft vorbereitet, sie haben Produkte, die die Möglichkeiten der Zeit nutzen und auch in den nächsten 5 Jahren noch Kunden finden, sie haben eine Organisationsstruktur und gemeinsame Regeln erarbeitet, die es erlauben mit den branchentypischen Herausforderungen der nächsten Jahre umzugehen, sie haben ein Management, das das Unternehmen vorausschauend und mit Blick auf das gemeinsame Wohlbefinden auf das, was kommen kann gut vorbereitet hat. Warum also auch nur ein weiteres Wort dazu schreiben?
 

Arbeitest du auch in solch einem Unternehmen?

In einigen, sicherlich wenigen, Unternehmen schlagen die Herausforderungen der Zeit massiv durch. Manche nennen es VUCA, andere Komplexität, manche Dynamik, Globalisierung, Demographie, Fachkräftemangel. Was nach Ursachen klingt, ist oft nur Symptom, genauso wie Kulturwandelprojekte, Restrukturierungen und Personalabbau nur Antworten auf Symptome sind und die Ursachen damit oft umgehen. Was als Ursache hinter vielem von dem steckt, was uns als besonderer Stressfaktor herausfordert, ist der Versuch die Vielfalt, die verwirrenden Zusammenhänge, die Mehrdimensionalität von Lösungen und Antworten in gewohntes, einfaches, lineares Denken zu fassen. Es ist der Versuch einfache Ansätze zu finden, wo genial einfache Lösungen gefragt sind. Übertragen auf die Physik wäre es der Versuch, quantenmechanische Effekte mit den Erkenntnissen eines Isaac Newton zu lösen, ein Versuch, der bis vor einigen Jahrzehnten auch so verfolgt wurde. Heute, u.a. seit Feynman und Hawking wissen wir, es war ein Versuch der zum Scheitern verurteilt war. In der Physik ist diese Erkenntnis bereits gewachsen.  
 

Unsere Welt erfordert nichtlineare, systemische und, daher um so mehr, organisationsindividuelle Lösungen. 

 

Ein großes Ziel – viele Wege

Die Physik versucht, die Welt in möglichst wenigen, (relativ) einfachen Formeln zu beschreiben. Gescheitert ist sie bis heute an einer universellen Formel, die sowohl im Mikrobereich der Atomkerne wie auch im Makrobereich der Galaxien funktioniert. Noch immer reicht unser Wissen nicht aus, um eine einheitliche Theorie zu formulieren, obwohl es sie geben muss, zumindest, wenn wir daran glauben, dass die Welt in der wir leben existiert.
 
In anderen Bereichen sind wir genauso auf der Suche nach dem Muster für den richtigen Weg, nach der Vorlage, die wir überall anwenden können, nach der Blaupause, die funktioniert, um Unternehmen auf die Zukunft vorzubereiten. Es ist die Frage, wie der Weg für die Unternehmen aussieht, die noch nicht wissen, wie ihre Produkte, ihre Regeln, ihre Rahmenbedingungen, ihre Mitarbeiterstruktur, kurz wie ihre Zusammenarbeit und deren Ergebnisse in optimaler Weise aussehen.  
 
Die Antwort – die heute noch richtige Antwort – ist, dass die Zukunft von uns abverlangt, zunächst noch ohne die ultimative, genial einfache Lösung klarzukommen. Zumindest, so scheint es, müssen wir noch ein paar Jahre ohne eine Unternehmensweltformel überstehen, noch müssen wir Unternehmen wettbewerbs- und zukunftsfähig machen, ohne die ultimative Lösung zu kennen. Wir müssen, wie ich es nenne, organisationsindividuell und damit vor allem auf mit vollem Fokus auf die Menschen, als dem kreativen, anpassungsfähigen, kraftvollen Energiezentrum vorgehen.
 
Zuvor gilt es aber wichtige Fragen beantworten, die immer mehr über den Zulauf und den Verbleib der Menschen entscheiden werden. Es sind die auf das Unternehmen bezogenen Fragen nach dem wozu! Was ist das Ziel? Was ist das Ziel des Unternehmens? Was ist das Ziel der einzelnen Gruppen, der Mitarbeiter, der Führungskräfte, des Managements? Was ist das GROßE Ziel?
 

Der Silberstreif der Freiheit

Wie würden Unternehmen aussehen, wenn sie, wenn das Management, als der zentrale Weichensteller und Rahmengeber, das Ziel hätten, sich selbst mit maximalen Freiheiten auszustatten? Die Frage erscheint, gerade mit Blick auf der Ebene der Top-Führungskräfte, und gerade nach den Managementauswüchsen in (tatsächlich, vergleichsweise) wenigen Unternehmen  paradox. Jedoch sind oder fühlen die wenigsten Unternehmensführer sich wirklich „frei“. Sie sind allzu oft gefangen und eingequetscht zwischen den Anforderungen ihres Umfelds, den Erwartungen von Investoren, von Kunden, dem Einfluss von Wettbewerbern und auch ihren persönlichen Zielsetzungen, ihres Engagements, das sie in diese Position gebracht hat.
Für sie bedeutet es eine neue, ungewohnte Freiheit, sich (endlich wieder) mit den Dingen beschäftigen zu können, die wirklich wichtig sind für das Unternehmen. Dinge, die Chancen eröffnen, die Probleme reduzieren und, die die Zukunft leichter und greifbarer machen. Dinge, die vorausschauendes Handeln erfordern und die konkrete Pläne ad absurdum führen.
 

Was hat das alles mit Führung zu tun?

Führungsentwicklung und ich schreibe hier ganz bewusst nicht Führungs-kräfte-entwicklung, ist ein Schlüssel auf diesen Wegen. Auf den Wegen zur Befreiung des Managements, des Unternehmens und der Gestaltung der Zukunft. Führungsentwicklung meint die Entwicklung von fachlicher und sozialer Kompetenz, die zu mehr Anerkennung und zu dem führt, was man heute gerne „Leadership“ nennt.
 
Wichtige Kernelemente habe ich im Manifest für zeitgemäße Führung beschrieben. Mehr Hintergründe finden sich in der Übersicht der Prinzipien. Beides findest Du auch auf humeaning.com .
 
Konkret anwendbar für dieses Manifest und die Prinzipien für Führungsentwicklung so nicht. Jedoch helfen sie zu verstehen, was Führung sein kann, welche Auswirkungen ein Umdenken auf dieser Ebene hat. Wie es im Detail gelingen kann die Schritte zu gehen, was man lernen, tun, trainieren kann, um tatsächlich so agieren zu können, erschließt sich daraus erst auf den zweiten und dritten Blick nicht.
 

Gefühle und Rahmenbedingungen

Viele Verhaltensmuster, Vorurteile und Menschenbilder haben sich so tief in unser Unterbewusstsein gegraben, dass Seminare und Workshops hier zwar einen ersten, wichtigen Anstoß geben können, um Linderung zu verschaffen. Tatsächlich etwas bewirken kann nur jeder für sich, was meist eine, teils langwierige, Auseinandersetzung mit sich selbst, seinen Wahrnehmungen und seinen Gefühlen, erfordert. Tatsächlich etwas bewirken kann nur, wer die eigenen Erwartungen und Emotionen von denen seines Umfelds zu unterscheiden lernt, um so von innen heraus mit Zuversicht und Zufriedenheit auf andere zugehen zu können. 
 
Ein Anfang kann gemacht werden, indem das Gefühl dafür, „neu“, zeitgemäß zu führen, durch neue (Vor)Bilder, durch Beispiele geschaffen und über einen langen Zeitraum verinnerlicht, erfahren, erlernt und umgesetzt wird. Tägliche oder wöchentliche gemeinsam (oder manchmal auch alleine) durchgeführte Reflexionen, Routinen, Reviews, Retrospektiven, Retreats und Rituale sind ein probates Mittel, um alte Muster nachhaltig aufzubrechen. Wie wir im Kontext Agilität gelernt haben, sind dies Transportmittel, die geeignet erscheinen, tatsächlich etwas zu bewegen.
 
Doch eine neue, eine andere innere Einstellung allein der Führenden reicht nicht. Wie frei Führung im Alltag agieren kann, hängt eben auch davon ab, welche Rahmenbedingungen (vor)gegeben sind. Es kommt darauf an, wie mit diesen Rahmenbedingungen umgegangen wird, wer sie in welchem Sinne definiert, welche Regeln, welche Symbole und Symbolik damit einhergehen. Klar ist, jenseits aller Kulturwandelprojekte, jenseits der Arbeit mit den Mitarbeitern, jenseits aller Leitwerte sind Management und Führung system- und kulturgestaltend.
 

Die Wirkungen von Management und Führung sind system- und kulturgestaltend. 

 

Zahlen und/oder Kultur

Wie, was und warum das Management eines Unternehmens den Rahmen definiert, wie die Führungskräfte den Rahmen ausgestalten, wie sie den Mitarbeitern die Freiheiten geben, die sie brauchen, um optimal Wirkung für das Unternehmen zu erzeugen, das alles gestaltet die Grundprämissen, die die Mitarbeiter anwenden können, um die Probleme zu überwinden, denen sich in ihrem Arbeitsalltag stellen. Sie nehmen damit wesentlichen Einfluss darauf, wie gedacht, gehandelt, wie gefühlt wird, was „richtig“ und gut im Sinne des Unternehmens ist. Das alles gestaltet, was wir Unternehmenskultur nennen.
 
Heute leben und arbeiten viele, auch Führende, stetig mit vollem Druck auf dem Kessel, egal auf welcher Ebene sie ihre berufliche Heimat haben. Termine sind knapp kalkuliert, Ziele extrem herausfordernd, das Umfeld immer schwieriger. Zu oft schränken auf „altem Denken“ basierende Strukturen und Prozesse zusätzlich (und oft unnötig!!) ein.
 
Jedoch das – aus meiner Sicht – Schlimmste ist, dass wir in unseren erlernten Verhaltensweisen gefangen sind. Zu tief sitzen Sozialisierung und Ausbildung. Tief verankerte Grundannahmen, die Zahlen mehr Wert einräumt, als den sozialen und kognitiven Potenzialen. So hilfreich und wichtig es ist die „richtigen“ KPI zu betrachten, so schädlich ist es, unreflektiert alles in Zahlen zu fassen. Vor allem dann, wenn diese Zahlen die eigenen (unbewussten) Vorurteile immer wieder bestätigen.
 

Mit VUCA auf VUCA reagieren: mit Vernetzung, Umdenken, Chancen, Agilität

 

Was du selbst tun kannst / sollst / darfst

Doch worauf sollte man den Fokus richten? Was sollte man betrachten, um zu verstehen, was man bewirkt? 
 
Im Kontext zeitgemäßer Führung sehe ich 10 Dimensionen und ca. 30 Parameter, die besondere Relevanz besitzen. Die ersten beiden der zehn übergeordneten Dimensionen befassen sich mit der Frage, welchen Fokus und „Modus der Zusammenarbeit“ das Unternehmen benötigt. Geht es um Effizienz oder Effektivität bzw., in welchem Mix sind die beiden Ausprägungen von Wirksamkeit für das Unternehmen bedeutsam.
 
Das Zweite ist ein Set von drei Dimensionen, die alle die Zukunftsfähigkeit betrachten, die eigene, die der Mitarbeiter und Kollegen, sowie die des Unternehmens. Wie sehr fließt die Ausrichtung auf die nächsten Jahre z.B. in das gemeinsame Lernen, die Nutzung von Talenten und die Selbstwirksamkeit ein?
 
Die letzten fünf Dimensionen zeitgemäßer Führung betrachten, wie sehr sich Führung als (Be)hüter von Werten und Kultur versteht, wie Zusammenarbeit aktiv ausgestaltet wird, wie Mitarbeiter in ihrer Entwicklung gefördert werden, wie Vernetzung und Kommunikation unterstützt wird und wie sehr der Blick auf einen von Menschlichkeit geprägten Umgang gerichtet ist.
 
Ganz konkret wird es, wenn man auf die Ebene der Parameter blickt, die ich mit zeitgemäßer Führung verbinde. Hier lohnt es (sich) ein paar Fragen zu stellen und (sich) Reflexions-Aufgaben zu geben. Diese können so aussehen, wie ich es hier in ein paar Beispielen zeige.
 
Im Bezug auf die Nutzung von ggf. Verborgenen, zumindest aber im Unternehmen unbekannten Talenten lohnt es sich (aus meiner Sicht), sich regelmäßig zu fragen: 

  • Welche meiner Talente und besonderen Fähigkeiten, auch außerhalb meines eigentlichen Arbeitsbereiches, konnte ich in den letzten 2 Wochen bei der Arbeit einbringen und nutzen? 
  • Wo haben diese Talente für die Menschen in meinem Umfeld oder für das Unternehmen insgesamt die Zusammenarbeit verbessert? 
  • Wer außer mir hat davon profitiert?

 
Zur Entwicklung können persönliche Aufgabenstellungen dienen, wie etwa: 
Nimm dir 15 Minuten Zeit und schreibe auf, welche deiner Talente die meisten Menschen in deinem Arbeitsumfeld von dir noch nicht kennen. Überlege, wo du diese einbringen kannst und finde die Menschen, die dich dabei unterstützen, diese einzubringen oder zu zeigen. Sprich sie an und finde einen Weg deine Talente zu nutzen.
 
Wenn ihr als Team an der Identifikation von Talenten arbeiten wollt, dann:
Nehmt euch 20 Minuten Zeit und tauscht euch über die Talente aus, die ich im Arbeitsalltag nicht zeigen könnt. Findet heraus, wer ähnliche Talente hat und wo solche im Unternehmen eingesetzt werden (könnten). Vereinbart einen Termin für eine „Talentprobe“ in den nächsten zwei Wochen, bei der ihr euch gegenseitig zeigt, wozu euch dieses Talent befähigt oder wo und wie ihr es einsetzt. Macht es sicht-, hör- und fühlbar. Ladet andere ein, bei der Talentprobe dabei zu sein. 
 
Schließlich lässt sich die persönliche Weiterentwicklung in der Reflexion durch folgende Fragestellungen unterstützen: 

  • Welche Talente an mir würdest ich gerne ausbauen? 
  • Bei welchen Tätigkeiten fühle ich mich am wohlsten? 
  • Was kann aus dieser Fähigkeit werden, wie kannst ich sie weiterentwickeln?“

 
Als zweites Beispiel ein paar Ansätze zum Parameter „Beziehungen“:
Versuch dich doch einmal an folgenden Fragen:

  • Wie gut sind meine sozialen Beziehungen zu den Menschen in meinem Umfeld? 
  • Gibt es größere Differenzen und ständige Aufreger? 
  • Pflegen wir einen wirklich ausgeglichen, harmonischen Umgang miteinander? 
  • Sind wir ausgesprochen nett und höflich, vielleicht auch zu höflich, zueinander, sodass die Ehrlichkeit leidet? 

 
Wenn du deine Beziehungen zu Kollegen und Geschäftspartnern verbessern möchtest, dann probiere folgendes:
Nimm dir in den nächsten drei Tagen 30 Minuten Zeit, um allein und ohne Störung über die Beziehungen in deinem Umfeld nachzudenken. Frage fünf andere, welche drei Dinge sie an dir positiv wahrnehmen und welche eine Sache du aus ihrer Wahrnehmung heraus anders / besser machen solltest. Wie offen und ehrlich könnt ihr miteinander umgehen?
 
Eine Aufgabenstellung für dein Team könnte sein:
Nehmt euch eine Stunde Zeit und bildet Zweiergruppen, die jeweils für 10 Minuten miteinander sprechen (z.B. auch bei einem kleinen Spaziergang). In den ersten 5 Minuten spricht der eine wohlwollend über die Dinge, die ihm beim anderen positiv aufgefallen sind und die eine Sache, die derjenige verbessern kann. Dann tauscht ihr die Rollen. Startet keine Diskussion, sondern sprecht wohlwollend, bzw. hört einfach nur zu.
 
Und, wenn du weiter in die Reflexion gehen willst, dann beantworte dir folgende Fragen:

  • Welche Beziehungen schätze ich besonders und auf welche würde ich verzichten, wenn ich die Freiheit dazu hätte?
  • Was stört mich an diesen Beziehungen so sehr, welche Eigenschaft des anderen, und welche meiner Reaktionen darauf?
  • Welche Gefühle steigen in mir auf, wenn ich an die positiven und negativen Beziehungen denke? Welche bei mir liegenden Ursachen haben diese Gefühle? Auf Basis welchen Glaubenssätze und Erfahrungen entwickeln sich diese Gefühle ich mir?

 
Als drittes und letztes Beispiel das Thema „Lernen“
Fragen:

  • Wenn ich an die vergangenen zwei Wochen denke, was habe ich Neues gelernt? 
  • Was war mir vollkommen unbekannt, wo habe ich dazugelernt? 
  • Konnte ich dieses neue Wissen bereits anwenden? 
  • Welche Erfahrungen habe ich dabei gemacht?“

Eine Aufgabenstellung für dich
Suche dir in den nächsten zwei Wochen drei verschiedene Lernpartner, die Wissen besitzen, an dem du gerne teilhaben würdest. Triff dich mit ihnen und geh in den Dialog. Bereite dich auf die Treffen vor, indem du fünf Fragen formulierst. Stell ihnen deine Fragen und bring die Antworten, gemeinsam mit ihnen in deinen Arbeitskontext, d.h versucht gemeinsam zu identifizieren, wo du dieses neue Wissen direkt anwenden kannst. 
 
Eine Aufgabenstellung für dein Team
Nehmt euch 30 Minuten Zeit und überlegt in den ersten 15 Minuten gemeinsam, welches Wissen über das Unternehmen oder eure Fachthemen euch im Team fehlt, oder welches ihr vertiefen wollt. Sprecht in den nächsten 15 Minuten darüber, auf welchem Weg ihr dieses Wissen ins Team holen wollt. Sprecht in den nächsten 5 Tagen Menschen an, von denen ihr vermutet, dass sie dieses Wissen haben und ladet sie zu eurem nächsten Treffen ein. Geht in diesem Treffen in den Dialog zu den Themen und findet Möglichkeiten, das so gewonnenen Wissen möglichst unmittelbar anzuwenden.  
 
Und, wenn du wieder in die Reflexion gehen willst, dann beantworte dir folgende Fragen: 

  • Wie fühle ich mich, wenn ich etwas Neues lernen will oder soll? 
  • Bei welchen Themen fällt mir das lernen leicht, bei welchen schwer? Woher kommt der Unterschied? 
  • Was würde passieren, wenn mir das Lernen bei allen Themen leicht fallen würde? Was würde ich dann lernen wollen?

 
(Diese Fragen und Anregungen stammen aus dem Entwurf für ein Kartenset, an dem ich derzeit arbeite. Wenn ihr Interesse daran habt zu erfahren, wie es damit weitergeht, dann tragt euch in meinen Newsletter ein oder schickt mir eine e-mail. Ich halte euch dann gerne auf dem Laufenden.
 
Zudem arbeite ich an einem Analysewerkzeug, dass anhand einiger Fragen zu den Parametern eine strukturierte Übersicht zu eurem Status Quo erstellt. Auch hier gilt, wenn ihr mehr erfahren möchtet, dann meldet euch (s.o.).
 
Das Thema zeitgemäße Führung werde ich auch in einer Reihe offener Workshop thematisieren, die ich gemeinsam mit Henrik Zaborowski, dem Luther des Recruiting, durchführe. Dazu könnt ihr hier mehr erfahren. 
Aber das alles nur nebenbei.)
 

Befreiung und Raum für gemeinsamen Erfolg  

Zeitgemäße Führung, Führung, die wieder mehr darauf abzielt den Mensch in den Fokus zu rücken und diese stärkste aller Erfolgsquellen im Arbeitsalltag wirklich wieder zurückzugewinnen (und nicht nur einen Bruchteil des Potenzials zu nutzen), ist mir ein zentrales Anliegen. Doch es hilft wenig, diese Thema singulär anzugehen. Das Zusammenspiel der Rahmenbedingungen mit der Nutzung dieses Rahmens, die Gestaltung von Zusammenarbeit auf der Ebene des Gesamtsystems ist, was zukünftig immer mehr über Erfolg entscheiden wird. Es geht um nichts weniger, als die Befreiung der Unternehmen vom Ballast und den Hemmnissen, die wir in den letzten 50 bis 100 Jahren für und in uns aufgebaut haben. Sie sind, und das fliegt so manchen Unternehmen gerade ganz massiv um die Ohren, was von uns ein neues Denken, jenseits eines linearen „Aus A folgt B und dann erreichen wie C“ erfordert.
 
Es geht um die Befreiung der Menschen und ihrer Fähig- und Fertigkeiten. Es geht um die Rahmenbedingungen und Ausgestaltung optimaler Zusammenarbeit. Es geht um die Freiheit und den Freiraum weniger unter der Arbeit zu leiden und dafür mehr zu bewirken. Und es geht damit in der Folge, quasi als Symptom nach der Neugestaltung der Ursachen, um nachhaltigen Erfolg, auch in der Zukunft. 
 
Stay tuned!

Wenn die Realität rechts überholt…. Agiles Management auf dem Prüfstand

Wenn die Realität rechts überholt…. Agiles Management auf dem Prüfstand

Das einzige, was schlimmer ist, als von der Realität überholt zu werden, ist darauf nicht vorbereitet zu sein.
 
Das geht nicht nur ein Thema auf der Autobahn. Es gilt im übertragenen Sinne immer mehr für uns alle. Auch zum Beispiel für viele Top-Führungskräfte für die Unternehmen, die sie führen. Sie sind gefordert, ihre Wahrnehmung der Realität an die Entwicklungen jenseits der Unternehmensgrenzen und die dort stattfindende Zukunft anpassen zu müssen.
 
Gleiches gilt auch für mich selbst, der ich zwar an in Form von neuen Perspektiven und Modellen an einer möglichen Zukunft arbeite, aber genauso immer wieder in die gelebte Unternehmenswahrheit eintauche. Dabei ist es wichtig ganz bewusst die gelebte Unternehmens-Lebens-Wahrheit im Blick zu behalten, um die Anschlussfähigkeit der neuen Betrachtungswinkel sicherzustellen.
 
In diesem Sinn unternehme ich heute einen “deep dive” und vergleiche die Aussagekraft der in der letzten Woche vorgestellten Kombination des Gesamtbildes von (organisationaler) Agilität und des Performance Dreiecks mit realen Unternehmensbeispielen.
 
Vielleicht wird es also für Sie heute eher langweilig, vielleicht aber auch spannend, falls die gezeigten Fälle Situationen widerspiegeln, die Sie selbst in Ihrem Unternehmen erleben. Ich hoffe, mir gelingt letzteres.
 

Los gehts

Eine Vielzahl von Führungskräften hat in den letzten Monaten an unserer Studie zu Agilem Management teilgenommen, sodass wir am Ende 220 Datensätze analysieren konnten. Wie im letzten Blogbeitrag schon gesagt nicht repräsentativ, aber dennoch sehr aussagekräftig und inhaltsreich.
 
Bei fünf dieser Befragungsergebnisse gehe ich hier in die Tiefe, auch weil ich die Unternehmen nicht nur aus den Datensätzen kenne. Ich schaue mir an, welche Maßnahmen anhand der Modelle ableitbar sind und wie dies zur realen Situation passt. Ganz im Sinne des agilen Manifests steht der erreichbare Kundennutzen im Fokus, eine Wirkung die (oft) nur durch die Nutzung der kognitiven und sozialen Fähigkeiten der Mitarbeiter entstehen kann. Begeisterte oder zumindest zufriedene Kunden (und Mitarbeiter) sind und bleiben nun mal der beste Hebel für Unternehmenserfolg.
 
Da Agilität zwar oftmals von außen angestoßen werden muss, aber dann von innen heraus wachsen sollte betrachte ich, welche Möglichkeiten die Unternehmen haben, die gegebenen Schritte eigenständig zu gehen.
 
Meinen Auftraggebern sichere ich, solange nicht gegenteiliges gewünscht ist, absolute Vertraulichkeit zu. Deshalb sind die Beispiele anonymisiert und auch die Maßnahmen bewusst so formuliert, dass nicht klar wird, ob und inwieweit (gemeinsam mit mir) daran gearbeitet wurde. Agilität ist schließlich ein Wettbewerbsvorteil, den nicht jeder seinen Konkurrenten gönnt. Andererseits wird Agilität zunehmend zu einem (Talent)Marketing relevanten Thema.

Ein Hotel

Wer in ein Ferienhotel in einer netten Gegend, mit einer guten Ausstattung fährt, der will vor allem eines: Eine sorgenfreie, erholsame, vielleicht inspirierende Zeit verbringen. Der will abschalten, sich um nichts kümmern und eine entspannte Atmosphäre genießen. Eine Atmosphäre, die auch wesentlich davon abhängt, wie gut sich die Mitarbeiter in dem Hotel fühlen, denn soviel ist sicher: der direkte Kunden-/Gäste-/Mitarbeiterkontakt ist hier für alle Beteiligten im Preis mit inbegriffen.
 
Das erste Beispiel ist ein Ferienhotel inmitten eines bekannten und beliebten Sommer- und Winterurlaubsgebietes. Das Hotel hat Tradition, eine gute Ausstattung und eine ebenso gute Lage. Einzig der Fachkräftemangel macht dem Hotel und der gesamten Branche zu schaffen. Insgesamt dennoch insgesamt gute Voraussetzungen, wenn, ja, wenn da der Blick hinter die Kulissen nicht ein anderes Bild bieten würde.

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Ein düsteres Bild. Das Bild einer (Führungs-)krise und dies, obwohl die Daten nur von der Geschäftsführung stammen und daher erfahrungsgemäß um ca. 10- 15% über den Aussagen von Mitarbeitern liegen. Die Klarheit für den Sinn fehlt schon auf der Geschäftsführungsebene – und das in einem Kontext in dem die (mögliche) Sinnklarheit nur so herausstechen müsste. Die Mängel ziehen sich durch alle Bereiche. Das Managementmodell, die Art wie geführt und die Organisation mit seinen Strukturen und Prozessen ausgestaltet ist, krankt, ihm fehlt Fokus und Führung, worunter die Kultur gelitten hat. Die Strukturen und Rahmenbedingungen sind im Wesentlichen dieselben wie vor zig-Jahren, als das Haus ererbt wurde. Hier regiert tatsächlich der Chef, allerdings ohne klaren Fokus, ohne klares Bewusstsein dafür, worum es sich kümmern müsste.
 
Es sind zwei Startpunkte, die ich identifiziere. Der erste ist vergleichsweise einfach anzugehen. Die Hotelleitung braucht mehr Zielrichtung und Bewusstsein für die wirklich wichtigen Dinge. Dies ist ein Thema für eine umfassende und tiefgehende Selbstreflexion oder ein Coaching, dass damit die Führungskompetenz (in diesem Einzelfall) stärkt.
 
Der zweite Startpunkt zur Problemeingrenzung und Stärkung der Mitarbeiter und des Unternehmens ist die Arbeit an den Rahmenbedingungen, vor allem an den Regeln, den Routinen und dem “wer entscheidet was, wann, wo und wie?”. Die Mitarbeiter brauchen dringend mehr Freiraum, um eigenständig im Sinn der Gäste entscheiden zu können. Das stärkt die dynamischen Fähigkeiten, die Kultur, Leistung und Erfolg. Und mehr Freiraum stärkt auch die Wahrnehmung im Talentmarkt, die Attraktivität als Arbeitgeber und damit die langfristigen Erfolgsaussichten.
 
Das erste Thema, das Coaching des Chefs, ist ohne externe Unterstützung nicht möglich. Für das zweite sind gezielte Impulse und die Moderation der Dialoge zu den Problemzonen von außen notwendig. Wenn dies erfolgt ist, wenn klar ist, ob innerhalb der Belegschaft Mitarbeiter sind, die eigenverantwortlich und freiwillig den Prozess weiter treiben (wollen und können), kann man entscheiden, wie viel mehr Input es von außen braucht. Dies auszubalancieren ist IMMER eine besonders herausfordernde Aufgabe.
 
Das der “Kundennutzen” wächst, wenn es gelingt, hier eine andere Basis zu etablieren zeigt das zweite Beispiel.

Noch ein Hotel

Der zweite Fall zeigt, wie sehr sich die Bilder innerhalb der gleichen Branche, mit den gleichen äußeren Rahmenbedingungen unterscheiden könne. Ein weiteres Hotel, gleiche Region, gleiches Kundensegment, gleiche Probleme bei Gewinnung guter Mitarbeiter, aber ein ganz anderes Bild.

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Hier funktionieren die Dinge mit einer Ausnahme gut. Der Fokus scheint zu fehlen. Auch diese Daten stammen von der Hotelleitung und sie zeigen, dass diese sich mit hohem Bewusstsein für die wichtigen Dinge, um anderes kümmern kann. Das Bild zeigt, dass hier die Führungsspitze die Freiheit hat sich mit weniger Fokus im Unternehmen bewegen kann, weil die für das Tagesgeschäft relevanten Aktivitäten größtenteils vom Team alleine angegangen und umgesetzt werden. Die Leitung setzt nur, wohldosiert, den passenden Rahmen. Einzig die Unterstützungssysteme hängen noch im Wandel der Zeit fest. Daran zu arbeiten fällt aber bei dem ansonsten guten Status Quo leicht.
 
Was hier noch zu tun ist, kann, nachdem das Wissen um diesen Mangel vorhanden ist, leicht und mit wenig Unterstützung von außen und mit Impulsen und Beispielen auch aus anderen Branchen und Bereichen leicht nachjustiert werden.

Eine Bank

 
Als drittes Beispiel dient das Bild aus einem großen Bankhaus. Die Daten stammen von einer Person jenseits der Vorstandsebene und zeigen den Alltag mitten im Unternehmen.

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Das Bild macht klar, mit welchen Führungs- und Kulturproblemen traditionsreiche Branchen wie der Finanzbereich und tradierte Unternehmen zu kämpfen haben. Im Bereich der persönlichen und gemeinsamen Arbeitssituation ist noch alles in grün-gelb gehalten, nicht alles gut, aber irgendwie gut genug.
 
Im Bereich des Managementmodells wird deutlich, dass die Führung und die Führungsroutinen die Bremsen darstellen, die auch die Kultur negativ beeinflussen. Kein Wunder, dass die Führungssysteme Schaden genommen und die dynamischen Fähigkeiten und die Entwicklungsfähigkeit gelitten haben. Hier wird weit mehr eingeschränkt, als dass Schranken abgebaut werden.
 
Mein Ansatz in diesem Fall ist ganz eindeutig, das Managementmodell in seiner Ausgestaltung und Wirksamkeit zu hinterfragen. Ziel muss es sein, neue Führungsroutinen zu entwickeln, Strukturen mit geeigneteren Prozessen zu etablieren, die deutlicher machen, dass der Beitrag jedes einzelnen relevant und bedeutsam ist. Es fehlt die Motivation und der Raum um Leistung zu erbringen. Die Systeme stehen mehr im Weg, als dass sie helfen.
 
Frische Impulse und der Dialog mit den Führungskräften auf den obersten Ebenen sind notwendig, um einen Wandel in Haltung und Verhalten loszutreten. Hier muss das Bewusstsein geschaffen werden, dass das dynamische Umfeld ansonsten die zu träge Organisationen aushebelt und zerstört. Erst auf dieser Basis, mit dem Verständnis der Führungsriege kann auch den Mitarbeitern der Raum gegeben werden, der die Freiheit in der Ausgestaltung der Rollen öffnet und damit die Kommunikation intern und damit auch (irgendwann) die Kultur verbessert.
 
Mit diesem Ansatz können die Mitarbeiter ihr Leistungsvermögen besser auf die Straße, bzw. in die Filiale und ins Online-Geschäft bringen. Sie bekommen Raum Entwicklungen leichter und selbstorganisierter voranzutreiben und ihre kognitiven und sozialen Fertigkeiten voll einzubringen. Die Kunden werden es zu spüren bekommen und es ihnen danken.
 
Eine zunehmende Zahl an Vorständen und Top-Führungskräften sind sich der Situation bewusst und versuchen Veränderung zu initiieren. Dennoch gelingt es nicht immer die hier so wichtige mittlere Führungsebene zu aktivieren, um die Entwicklung gemeinsam zu gestalten. Hier ist die Verlustangst zu groß und der drohende Verlust durch Untätigkeit noch zu unkonkret.
 
Ein probates Mittel ist die umfassende und möglichst objektive Analyse der Gesamtsituation inklusive einer eingängigen Visualisierung. Gute Bilder sagen mehr als 1000 Worte. Die gezielte Unterstützung von außen ist auch hier zunächst unumgänglich, um dann später Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und agile arbeitende Bereiche als Multiplikatoren zu nutzen.

Der Mittelstandsklassiker

Das vierte Beispiel ist ein Klassiker aus dem Mittelstand. Das sehr erfolgreiche Software Systemhaus, von dem die Daten stammen, wurde von seinem heutigen Inhaber gegründet und aufgebaut. Er allein bestimmt die Richtung und hält die Fäden in der Hand. Widerspruch, auch von Mit-Geschäftsführern, wird geduldet, ist aber im Grunde nicht erwünscht. Den Routinen, den Meetings, den Führungssystemen hängt der Muff vergangener noch erfolgreicherer Jahre an. Das zeigt Wirkung. Zusammenarbeit und Beziehungen beginnen sich zu verschlechtern. Im hart umkämpften Markt für gute IT-Fachkräfte dringt langsam nach außen, dass das Unternehmen nach mehr Gutem scheint, als darin steckt. Dies, obwohl die Führungskräfte in vielen Bereichen des Unternehmens stark auf agile Strukturen und selbstverantwortliches Handeln setzen.

Hier dreht sich auch im Beratungsprozess alles um die eine Person ganz an der Spitze. In der Bearbeitung dieses Falles geht es darum, ihr die Auswirkungen des eigenen Tuns sichtbar zu machen, mit allen Implikationen und Konsequenzen.
 
Dabei hilft das hier gezeigte Bild, denn es macht unumwunden deutlich, dass das Zusammenspiel der Kräfte auf einfachem Weg noch deutlich besser gestaltet werden kann, z.B. auch, indem sich der Inhaber auf für ihn spannende Randbereiche des Geschäfts konzentriert, und zugleich den engagierten Mit-Geschäftsführern Raum gibt, Selbstverantwortung weiter ins Unternehmen zu tragen.
 
Weniger von den positive gemeinten und auf umfassender, aber alter, Erfahrung des Chefs basierter Einfluss, tut dem Unternehmen gut und gibt ihm Raum sich schneller auf die veränderten Anforderungen seitens der Kunden und Mitarbeiter einzugehen.
 
Auch hier ist ein Wandel ohne ein erstes Einsehen des Chefs und ohne externen Impuls unmöglich. Es sind die Fälle, die wenig Lorbeeren für den Berater abwerfen, da die zu bohrenden Bretter oft sehr, sehr dick sind. Wenn das Brett hingegen erste Risse aufzeigt, ist der Rest einfach und vor allem in großem Umfang aus dem Unternehmen heraus selbst zu meistern.
 
Beiden Kundengruppen, den “echten Kunden” und den am Unternehmen interessierten Talenten hilft diese fraglos, denn der damit geschaffene Freiraum macht das Unternehmen schnell und unkompliziert noch deutlich besser und flexibler.

Innovation im Konzern

Mein letztes Beispiel stammt aus einer innovativen Entwicklungseinheit eines Automobilkonzerns. Hier soll Zukunft gestaltet, konkretisiert und für die nächste Generation von Fahrzeugen skalierbar gemacht werden.
 
Der Sinn Innovation zu schaffen stimuliert die Zusammenarbeit und die gemeinsame und persönliche Arbeitssituation, aber der Konzern mit seinen zähen Prozessen und steifen Strukturen raubt dem Bereich Energie.

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Ähnlich wie beim Beispiel der Bank ist das klassisch, planvolle, strukturierte Vorgehen tief im Managementmodell verankert. Es vernichtet die Fähigkeit dynamisch mit den Anforderungen und Möglichkeiten umzugehen. Es zerstört die Chance auf echten Erfolg und Wachstum.
 
Auch hier ist mein Rat mit einer Doppelstrategie vorzugehen. Natürlich müssen sich auch Konzerne weiterentwickeln, gerade hier ist es notwendig in der obersten Spitze die Notwendigkeiten gelebter organisationaler Agilität zu verstehen und anzunehmen. Gerade hier ist es notwendig, parallel „grassroot” Bewegungen zielgerichtet zu unterstützen und “oben” beispielhaft Rollenmodell zu sein. Hier kommt viel intensive Arbeit am Selbstverständnis, an den Strukturen von Entscheidungen und Teams auf alle Mitarbeiter zu.
 
Allerdings dauert ein solcher Prozess Jahre. Jahre, die eine Entwicklungsabteilung, die “leadging edge” Technologien einbringen soll und will, nicht hat. Hier müssen die Vordenker vom Rest losgelöst werden, um frei arbeiten zu können. Zugleich sind Brückenbauer gefragt, die die Entwicklungen zurück in den sich langsam weiter entwickelnden Konzern tragen. Cross-funktionale Peer-Mentoring Programme können helfen das erworbene Wissen, auch zu einem agileren Umgang miteinander, in den großen, langsameren Teil des Unternehmens zu tragen und das Verständnis für das Schnellboot zu verbessern.
 
Ein großes Maß an Transparenz und intensive Kommunikation sind gefordert, um sichtbar zu machen, was die Abteilung für das Unternehmen leistet und warum sie losgelöst(er) agieren muss (als andere) und natürlich gehören eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen in den Katalog.
 
Die Strategie einer Loslösung und parallelen Arbeit im, am und mit dem Konzernsystem ist zwingend notwendig um die Innovationsansätze parallel zum Umbau des ganzen Unternehmens erfolgversprechend weiter betreiben und umsetzen zu können.
Die Kunden, in diesem Fall der Konzern selbst und später die Endkunden profitieren von einer großen und immer stärkeren Einheit die Innovation nicht nur im technologischen, sondern auch im Zusammenarbeitskontext ins Unternehmen trägt.
 
Mit dem richtigen Verständnis ist dieser neue Umgang miteinander zwar theoretisch allein aus eigenen Kräften umsetzbar, die Erfahrung zeigt, aber dass gerade in großen Strukturen die Widerstände groß und der Glaube an den Propheten im eigenen Unternehmen klein sind. Mindestens auf eine, auch auf die Schnittstellen bezogenen Analyse der Interaktionsmuster und der Fähigkeiten Agilität zu leben und auszuhalten, sowie auf gezielte Impulse sollte daher, wenn der Wandel ernst gemeinst ist, nicht verzichtet werden.
 
Natürlich kommt es in den dargestellten Fällen darauf an viele weitere Details zu berücksichtigen. Details die im Einzelfall andere Interpretationen und Ansätze bedingen, die aber, und so ist insbesondere das Diagostik-Konzept hinter dem Performance Dreieck angelegt, im Dialog mit den Menschen im Unternehmen schnell und leicht sichtbar werden. Insofern dient eine Übersicht wie die hier dargestellte vor allem zur grundsätzlichen Orientierung, um die Ausrichtung und Ansatzpunkte zu identifizieren. Sie ist Teil der Lösung, aber eben auch nur ein Teil des ganzen Bildes und der ganzen Wahrheit.
 
Wie die Beispiele zeigen hat die Realität der Notwendigkeit agilen Managements bzw. organisational verankerter Agilität in den hier gezeigten Fällen die Unternehmen längst rechts überholt. Das liegt naturgemäß an den gewählten Beispielen, andererseits sehe ich in vielen Unternehmen immer wieder parallelen zu den gezeigten Fällen. So ganz alleine scheinen die gezeigten Unternehmen also in diesem Kontext (leider) nicht unterwegs zu sein.
 
Agiles Management ist ein Schlüssel zu mehr Erfolg, das hat eindrücklich die gemeinsam mit AGILITYINSIGHTS durchgeführte und vor kurzem abgeschlossene Studie zu diesem Thema gezeigt. (Sie können die Studie und/oder die zugehörige Infografik hier herunterladen, falls Sie dies bislang versäumt haben.)
Jetzt ist es an den Unternehmen den Ball aufzunehmen und diese Weiterentwicklung anzugehen. Immerhin ist die Wahrscheinlichkeit damit im sich schnell entwickelnden Umfeld selbst auch wieder mehr Fahrt aufzunehmen groß. Aussichten die jeden Unternehmenslenker inspirieren sollten.