Über-Angst

Über-Angst

Das Thema ist älter als die Menschheit und bis heute ungelöst. Jeder hat es, niemand kommt an ihm vorbei, es steckt tief in jedem von uns. Es ist das Trapez ohne Netz, das schwarzes Loch, Fassbinders Seelenfresser, dem wir unausweichlich ausgeliefert sind. Es ist unsere Angst.
 
Doch Angst hat einen verheißungsvollen Zwilling, ein attraktives Gegenüber, das alleine nicht existieren könnte. Die Herausforderung, die ihre Spannung, ihren Wert vor allem daraus bezieht, dass neben der Chance zum Erfolg auch immer das Risiko besteht grandios zu scheitern. Herausforderungen ohne eine Spur Angst, das wäre wie Routine ohne Sinn und wie ein 8.000er mit Seilbahn. Für jeden zu haben und ohne (Zu)Gewinnwahrscheinlichkeit wäre sie alles andere als attraktiv.
 
Herausforderungen bringen uns zu den magischen Momenten, in denen es uns gelingt die Angst zu besiegen, sie zu überwinden, uns unabhängig zu machen, von dieser manchmal überwältigenden Emotion. Es sind die Momente, wenn es uns gelingt, die Panikzone weit jenseits unserer Komfortzone als magische Zone zu enträtseln, diese Herausforderung zu meistern und das, was Angst war in Glückseligkeit, Mut, Selbstvertrauen und Zuversicht aufgehen zu sehen.
 
In einer Welt die vor sicherer Unsicherheit und unsicherer Sicherheit nur so strotzt, lohnt ein Blick hinter die Kulissen der Angst. Vielleicht findet sich so ein Weg den Nutzen zu erkennen und zu mehren – für jeden persönlich und auch für die kleinen und großen Unternehmen in denen es darum geht erfolgreicher.zusammen.zu.wirken.
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Angst als Überlebensgarant – nur nicht im Büro

Angst kann als einer der Urinstinkte in unserem Kopf ganz zentral schalten und walten. Führt Unsicherheit bei Pferden zur Flucht und bei Eseln zum absoluten Stillstand (als Bergbewohner, war das der sicherere Weg mit Gefahren umzugehen), so brachte schon vor tausenden von Jahren der im Gebüsch lauernde Säbelzahntiger alle sechs bis sieben Sinne unserer Vorfahren auf Zack und setzt zugleich die Muskeln schonmal unter Strom. Sie waren Kampf oder Fluchtbereit – je nachdem. Dafür setzte damals wie heute in Stresssituationen der Teil des Gehirns aus, der rational über das nachdenkt, was da passiert. Er ist einfach zu langsam und bremst uns nur bei dem, was wir jetzt, in diesem Moment, als überlebenswichtig ansehen.
 
Auch wenn der Säbelzahntiger nicht zu den Arten gehörte, die sich durch Anpassung langfristig einen Platz auf der Erde verschaffen konnten, sind unsere hormongesteuerten Reaktionen auf potenzielle Gefahr und Stress dieselben geblieben. Ein Umstand, der für schreibtischsitzende Wissensarbeitern leicht zum Problem werden kann, denn die als Stressreaktion in die Blutbahn abgegebenen Botenstoffe Adrenalin und Cortisol bauen sich im Kampf oder auf der Flucht deutlich besser ab. Welche Kollegen würden es allerdings akzeptieren, wenn mit dem Laptop auf sie losgegangen wird oder Sie wegrennen? Ebenso sorgen weder Stress noch Angst für schnellere und bessere Arbeit – da kann der Chef noch so drohen. Im Gegenteil, denn es gilt eben nicht nur Fassbinders „Angst essen Seele auf“ Filmtitel, sondern auch: “Angst essen Denken auf”.
 

Angst als Kulturgestalter und Teufelskreisauslöser

Angst hat aus gesellschaftlicher Perspektive eine durchaus positive Wirkung auf uns. Sie ist kulturschaffend. Die Angst vor den großen Unsicherheiten dieser Welt hat uns dazu gebracht, Verhaltens- und Kulturmuster zu etablieren, die Sicherheit und Stabilität erzeugen. Die Regeln unseres Zusammenlebens zielen alle darauf ab potenzielle Angstauslöser zu eliminieren. Fatal ist in diesem Zusammenhang nur, dass unsere Restangst mit dem Maß an wahrgenommener Sicherheit wächst, statt sich zu verringern. Je mehr Angst wir haben, je seltener wir uns echten Ängsten stellen müssen – auch um an ihnen wachsen zu können – desto mehr Angst entwickeln wir. Ein echter Teufelskreis. (Hier ein Link zu den WDR Funkhausgesprächen zum Thema „Die Ängste der Deutschen – Berechtigt oder nicht?“)
 

“Wer sich sicher fühlt hat mehr Angst.” 

 
Leben wir somit in einer zu sicheren Welt, die uns die Chance zur Weiterentwicklung nimmt?
 

Sicherheit nimmt uns die Chance Angst auszuhalten

Je mehr wir uns unseren Ängsten bewusst stellen, desto eher können wir mit ihnen umgehen. Sich in einen Sicherheit verheißenden Kokon einzuspinnen, hilft (immer weniger) das Leben zu meistern.
 
Dabei ist es zwar positiv ein sinnvolles Maß an Respekt für die Dinge zu entwickeln, die potenziell Gefahren bergen, andererseits darf und sollte man es sich aber eben auch nicht zu leicht machen. Sich immer wieder bewusst den kleinen Unsicherheiten zu stellen, sie auszuhalten, zu erleben, dass es nicht wehtut, dass es keine katastrophalen Konsequenzen hat, wenn man sich in Situationen auch mal unwohl fühlt, das stärkt uns, mit Sicherheit, im Umgang mit Angst.
 

Flow: Das richtige Maß Unsicherheit in der Sicherheit

Genauso, wie Angst einen guten Teil unserer Kultur auch positiv beeinflusst hat, ist Angst ein nicht zu unterschätzender Antrieb für Veränderung. Ohne Angst bewegen wir uns tatsächlich kaum mehr – geistig meine ich. (Fast) nur wer in Angst und Sorge ist, macht sich Gedanken dazu, wie er dieses Maß an Unsicherheit überwinden kann. (Fast) nur der ist neugierig auf das Unbekannte, dass ihm helfen kann neue, zusätzliche Sicherheit zu erzeugen. Neugier führt zwar nicht immer zum Verlassen der Komfortzone, sie ist dennoch der Auslöser, um aus unbekanntem und Unsicherheit erzeugendem bekanntes, ein-schätzbares und damit als “sicher” wahrgenommenes zu erzeugen. Diese, mit der Belohnung eines positiven Ausgangs versehene innere Reise ins Unbekannte ist eine mächtige Triebfeder, um immer wieder neugierig in die Welt zu blicken. Und wieder hat dieser Weg auch seine schattigeren Seiten. Je mehr Neues wir einordnen können, je sicherer wir uns fühlen, desto weniger erzeugt neues Neues die früher gekannte Bestätigung, den Erfolg und die so stimulierende Ausschüttung von Dopamin. Die Folge Glücks(hormon)süchtig wie wir sind: Wir suchen ständig nach der stetig weiter wachsenden Herausforderung. Wir wollen immer mehr, immer besser, immer schneller, höher, weiter. Oder um es mit Mihaly Csikszentmihalyi auszudrücken: Wir lieben und suchen “Flow”.
 
Doch Flow ist ein schmaler Korridor zwischen Unter- und Überforderung, zwischen Langeweile und Angst. So wunderbar es ist, wenn sich die Welt und die Zeit in der wir sind um uns herum quasi auflöst, so schmal ist der Grat an der Grenze zur Überforderung. Die Unsicherheit, die wir als Herausforderung brauchen, um den Antrieb zu haben in den Flow zu kommen, kann uns, wenn es nicht gelingt sie zu meistern, überwältigen und die Angst immer weiter verstärken und tief in uns verankern.

4 gewinnt

Im Flow steckt noch mehr, als nur alles um uns herum zu vergessen. Flow ist ein „state of mind“, in dem wir mit der Chance Herausforderungen zu meistern und die damit verbundene Angst zu überwinden, Raum für individuelles persönliches Wachstum schaffen. Um dorthin zu gelangen gilt es das Umfeld so zu gestalten, dass vier wesentliche Bedingungen erfüllt sind:

  1. Wir müssen uns einer Aufgabe stellen, die wir als echte, aber lösbare Herausforderung wahrnehmen.
  2. Die Aufgabenstellung muss am Rande unserer Kompetenz-Komfortzone angesiedelt sein, d.h. wir müssen sie unter Aufbietung unserer Fähigkeiten, Qualifikationen, Potenziale und (im wesentlichen) innerhalb unseres Entscheidungs- und Verantwortungsraums lösen können.
  3. Die Aufgabe muss uns zugleich Raum geben neue Dinge kennenzulernen, Unsicherheit in Sicherheit zu überführen, die Panikzone um unsere Komfortzone herum zu überwinden und in die “magische Zone einzutreten. Kurz sie muss uns Raum geben uns weiter zu entwickeln.
  4. Bei all dem müssen wir auf unsere Stärken, Fertig- und Fähigkeiten auf- und ausbauen können.

 

“Spiel” gewinnt

Wer an Flow denkt, kommt einem anderen Thema ganz nahe, dass heute fast spielerisch einen Bereich mit hoher Selbstmotivation mit dem Thema „Arbeit“ verbindet: Gamification. Dieser sehr ernst gemeinte Ansatz versucht die vorhandene Selbstmotivation auch im Arbeitsumfeld nutzbar zu machen. Mein Gamification-Hero Roman Rackwitz fasst die Rahmenbedingungen in fünf Punkten zusammen. Man braucht

  1. Informationstransparenz und das Wissen um die Vollständigkeit der Information
  2. Echtzeitfeedback
  3. Entscheidungsfreiheit
  4. klare Ziele und Regeln, manchmal auf individueller Ebene. Ich muss wissen, was ich im nächsten Schritt tun kann/darf/muss ohne, dass sich diese Regeln während der Aktion willkürlich verändern. Nur so kann Lernen und ein Erkenntnisgewinn entstehen.
  5. (Wiedermal) die stetige (wachsende) Herausforderung, den mit kleinen Hindernissen versehenen “path to mastery”. Oder um es mit Romans Worten zu sagen: “Wenn ich nichts zu lernen habe ists’s langweilig.”

Und natürlich geht es auch hier um unsere Suche nach Anerkennung durch das Umfeld, um Herausforderung, um die Verwandlung von Unsicherheit in Sicherheit und die Erweiterung der Komfortzone, die Überwindung von Angst und den Aufbau von mehr Selbstvertrauen.
 

“Wir” gewinnt

Neben all dem Stress- und Glückshormonellen, das uns treibt, gibt es da noch eine andere Komponente, die uns hilft mit Angst besser umzugehen: Die Gemeinschaft. Dabei spielt mit Oxytocin ein weiteres Hormon eine Hauptrolle.
 
Oxytocin ist sowohl in der sozialen Interaktion, wie in der Stressreduktion ein wichtiger Baustein. Es ist einer der Gründe, warum wir uns in der Gemeinschaft wohler fühlen, warum wir in der Gesellschaft anderer besser entspannen und uns gemeinsam für etwas engagieren. Es “ist” Gemeinschaftsgefühl, Verbundenheit und Vertrauen. Es ist, gemeinsam mit Dopamin, ein Faktor, der uns dazu bringt in Teams (leichter) Leistung zu bringen. Leistung die uns Anerkennung und Wertschätzung der anderen einbringt und uns so dazu bringt auch gemeinsam immer mehr, immer besser, immer schneller, höher, weiter zu wollen.
 
Dabei hat die gemeinsam im Team gemeisterte Herausforderung eine besondere Bedeutung. Sie schafft nicht nur Selbstvertrauen, sondern Verbundenheit, Vertrauen in die gemeinsamen Fähigkeiten und damit Zuversicht. Diese Bindung ist allein schon Belohnung für das gemeinsame Handeln. Sie ist Sinn pur – und oft genug ein Grund den Stressor “Chef” doch noch länger zu ertragen.
 
Vergleicht man die Treiber für erfolgreiches.zusammen.wirken in Teams finden sich einige Parallelen zur Flowerlebnis des Einzelnen.

  1. Zugehörigkeit und Verbundenheit schaffen die Grundlage für Identifikation mit der Gruppe
  2. Eine kontinuierliche, zielführende, schnelle und emotionale Stimmung vermittelnde Kommunikation, die mit Informationstransparenz das Ziel einer gemeinsamen Handlungsfähigkeit gut unterstützt.
  3. Eine Aufgabenstellung, die auf die Stärke, Fertig- und Fähigkeiten auf- und diese ausbaut.
  4. Ein Team, das gemeinsame Werte teilt. Wer ehrlich, verlässlich und gerecht miteinander umgeht, schafft Vertrauen und damit auch die Grundlage, um sachbezogen disputieren und dennoch wertschätzend miteinander umzugehen.
  5. Der wohl wichtigste Faktor ist die gemeinsame Zielsetzung, die Vision, die nicht nur die Richtung vorgibt und entsprechend zielgerichteten Entscheidungen ermöglicht, sondern die auch bei jedem individuell Anknüpfungspunkte findet.

 
Diese fünf Punkte schaffen aus einem bunten Haufen eine Gruppe zu machen, die engagiert und vielleicht sogar mit Flowerlebnissen am (großen) gemeinsamen Ding arbeitet. Eine Gruppe, die sich mit ihrer Aufgabe und dem Unternehmen identifiziert, die Stolz und Perspektive in dem findet, was da miteinander angegangen wird, und die so die soziale Zusammengehörigkeit erzeugt, die dann (auch) geteilte Angst zu kleinerer Angst werden lässt.
 

Keine Entwicklung ohne Angst

Von den eher kleinen Ängsten zurück zu den großen. Den individuell großen und denen, die groß sind, weil sie aus den Ängsten vieler entstehen. Egal, worauf eine solche große Angst fußt, sie ist der Anschubser, um eine Veränderung anzugehen, zumindest, wenn es gelingt die Lähmung und Selbstbeschränkung zu überwinden. Wobei, auch meine ganz persönliche Selbsterfahrung zeigt, dass wir zu oft warten, bis die Angst, der Druck, der Schubser so stark ist, dass er einen aus den Schuhen hebt oder mit brachialer Gewalt umwirft. Zu oft ist erst die echte, fundamentale, lebensbedrohliche Krise das, was Veränderung möglich macht. Zu selten gelingt es schon früher, wenn die Angst noch nicht das gesamte Denken blockiert hat, den Weg der Erkenntnis einzuschlagen.
 
Denn das Gefühl großer Sicherheit bremst Entwicklung. Wo ich inmitten meiner Komfortzone verweilen kann, wo ich in einer subtilen Mischung aus Paradies und Schlaraffenland sitze, da wird sich kaum jemand aufraffen, um die Grenzen der Sicherheit zu erforschen. Wo Sicherheit vorherrscht, werden die Herausforderungen immer kleiner. Wo Herausforderungen kleiner werden verlernen wie sie zu meistern. Wo wir das Gefühl des Triumphs zu lange vermissen, findet keine Entwicklung mehr statt. Wo keine Entwicklung mehr stattfindet ist zwar Sicherheit, aber keine Zukunft.

Angst im Arbeitsalltag = Organisationale Angst

Gerade wenn es um Zusammenarbeit “im großen” geht, zeigt sich Unsicherheit (und Angst) noch mit einem anderen Gesicht. (Zu) oft herrscht in Unternehmen eher eine Misstrauens- als eine Vertrauenskultur. Zu oft ist von einem mutbasierten “growth mindset” nichts zu spüren und stattdessen ist “distrust” in die organische/organisationale Struktur geradezu eingewoben. Dort beherrscht die Angst vor der Bestätigung negativer Erwartungen das Handeln viel mehr, als der Mut den 97% der Kollegen und Mitarbeiter die vertrauenswürdig agieren, das damit gerechtfertigte Vertrauen entgegenzubringen. Ähnlich wie wir deutlich länger brauchen, um verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen, zehren wir lange an negativen Erfahrungen und vernichten damit die Chance, Sicherheit aufzubauen. Da bestehendes Vertrauen auf bereits erlebten Haltung und dem dies bestätigendem Verhalten beruht, tun wir uns nach dem Erleben der 3% die unser Vertrauen bewusst missbrauchen, einfach immer schwer.
 
Fatal ist, dass wir uns damit auch die Grundlage für wahrgenommene Sicherheit im Job nehmen. Wer dem Arbeitsumfeld ständig misstraut, legt die Basis für das verschweigen und vertuschen von Fehlern und die Nicht-Kommunikation von Irrtümern. Damit entsteht der optimale Nährboden für eine Fehler-Kultur im Wortsinn.
 
Dabei ist mit Blick auf die Überlappung der Eigenschaften die Teams fördern, Flow erzeugen und Gamification ausmachen klar, dass Vertrauen das wert-volle Gut ist, dass Lern-Kultur, gemeinsames Wachstum und Erfolg deutlich besser unterstützt.
 

Herausforderung Innovation

In unserer Zeit des immer schnelleren (technologischen) Wandels suchen viele Unternehmen nach Innovation, um sich vom (digitalen) Kuchen ein Stück abschneiden zu können. Egal in welchen Bereich von Neuentwicklungen man dabei denkt, in den der Exploration, also der Verbesserung von bestehendem, oder der Suche nach fundamental neuem und nie zuvor dagewesenem, immer setzt die Ideenfindung einen kreativen (Frei)Raum voraus. Wieder ein Raum, der sich aus dem Wechselspiel zwischen dem neuen, mit Unsicherheit behafteten und dem sich daraus entwickelten sicheren aufspannt. Ein Raum, in dem sich im Flow gestalten und denken lässt. Ein Raum in dem die Herausforderung damit beginnt, nach Unsicherheit regelrecht zu suchen. Ein Raum, in dem Angst keinen Raum hat, sondern in dem das Verlassen der Komfortzone, das Ausleben von Neugier leicht gemacht wird. Ein Raum in dem wir mit unseren Ideen wachsen können.
 

Angst schafft Kultur

Angst ist nicht nur kulturschaffend und prägend, sie kann auch Kulturen echt schaffen, sie zerlegen, all das positive zunichtemachen. Die globalen Entwicklungen der letzten 20 Jahre haben aus sicheren Arbeitsplätzen Räume von Pseudosicherheit entstehen lassen. Der einstige Job für’s Leben ist, nicht nur aber auch nachdem Ronald Reagan in den 1980’ern Massenentlassungen (damals die der US-amerikanischen Fluglotsen) zu einem probaten Mittel hatte werden lassen um Mitarbeiter gefügig zu machen und Shareholderinteressen durchzusetzen, heute immer mehr leere Hülle. Schlimmer noch, sie ist oftmals eine leere Hülle, in der Angst akzeptiert und aktiv “genutzt” wird. In der einfachen “carrots and stick” Logik eigentlich längst überholter Motivationstheorien, hängt im Zweifel immer das Damoklesschwert der Umstrukturierung, der Entlassung, des Wettbewerbsdrucks und der internen Konkurrenz über der eigenen Möglichkeit den Lebensunterhalt zu verdienen. Hin und hergerissen zwischen dem, in der sozialen Prägung der Kindheit oft noch entstandenen Bild des “sicheren Jobs” und der unterschwellig aber dafür kontinuierlich erlebten Angst, sitzen (zu) viele Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen und tun was nötig ist. Flow entsteht da nur in der Kaffeemaschine.
 
Leider machen sich wenige Unternehmenslenker bewusst, welche Folgen Unsicherheitsfaktoren, wie Kündigungswellen und unklare Kommunikation auf das Vertrauen, das Sicherheitsgefühl, den Mut Herausforderungen anzugehen und damit die Leistungsfähigkeit der verbliebenen Mitarbeiter haben. So kosten diese „Sparmaßnahmen“ über Jahre deutlich mehr als sie kurzfristig zu bringen scheinen.
 

Glaubenssatzangst

So verinnerlichen und verarbeiten wir unsere Arbeitsängste in Glaubenssätzen und werden sie in der Folge immer schwerer wieder los. Da lernen wir an unsere Hilflosigkeit zu glauben – und sind es fortan. Da glauben Mitarbeiter an die “Allwissenheit” des Top-Management und wissen im Grunde doch, dass das Internet die Karten neu gemischt hat. Da verlassen sich viele auf “die da oben” und realisieren durch die neue Nähe in Sozialen Medien und der neuen Breite an Information, dass wir alle doch nur Menschen mit sehr ähnlichen Geschichten und, eben auch, Ängsten sind.
 
Zugleich sind Führungskräfte ebenso gefangen, wenn nicht noch mehr. Zum einen nehmen sie die Ängste der Mitarbeiter wahr, zum anderen versuchen Sie der Erwartungshaltung ihres Umfeldes zu entsprechen. Auch das macht Angst, auch das erzeugt Druck, auch das führt zum Burn-Out.
 

Der Angst entkommen

Natürlich ist es hilfreich für sich Wege zu finden, die eigenen Ängsten zu besiegen. Aus Sicht von Unternehmen ist es jedoch um ein Vielfaches hilfreicher gemeinsam die Angstmacher zu entlarven und zusammen Wege zu finden, um die Komfortzone aller zu erweitern, Mut statt Angst in die Basis der Zusammenarbeit zu integrieren und so mehr Zeit für entspannte Neugierde und die Entdeckung neue Sicherheit zu haben.
 
Angst ist eines der größten Hemmnisse auch in meiner Arbeit. Weniger meine Angst oder mein glücklicherweise weiterhin vorhandenes Lampenfieber, sondern die Angst der Menschen in meinen Beratungsmandaten vor der dem Ertragen von Unsicherheit, der Veränderung, dem vermeintlichen Macht- und Statusverlust, dem Rollen- und Aufgabenwechsel. Angst die es oft verhindert die Chancen zu nutzen, manchmal allein schon, weil die Investition in erfolgreicheres.zusammen.wirken als zu unsicher erscheint. Dabei ist es leicht die Leistungspotenziale nutzbarer zu machen.
 
Hier ein paar Tipps, wie sie für sich selbst und in der Gemeinschaft Angst sichtbar und damit bearbeitbar machen:

  1. Stellen Sie sich Ihrer Angst und sprechen Sie darüber. Am besten zuerst im “geschützten Raum”. Wir haben alle gelernt, dass man über Ängste nicht spricht, weil diese Offenheit Verletzlichkeit erzeugt. Sie erzeugt aber zugleich Vertrauen und schafft die Basis für das gemeinsame Meistern dieser Herausforderung.
  2. Erlauben Sie sich auch andere Emotionen anzusprechen. Geben Sie ihnen Raum in Ihrer eigenen Gefühlswelt und in der gemeinsamen des Unternehmens. Versuchen Sie jedenfalls nicht, sie zu unterdrücken, das verstärkt sie!
  3. Wenn Sie beginnen Unsicherheit wahrnehmen zu benennen und reflektieren Sie die Hintergründe. Zerlegen Sie sie im “TIE-Break”, d.h. betrachten Sie die Tatsachen, Ihre Interpretationen und die so entstandenen Emotionen. Machen Sie sich bewusst, dass die Tatsachen nur über Ihre Interpretation zum Gefühl von Unsicherheit und Angst führen.
  4. Ordnen Sie die Tatsachen und die damit entstanden Gefühle ein. Eine einfache Matrix mit den Ausprägungen “Risiken”vs. “Chancen” auf der horizontalen und der eigenen Wahrnehmung zwischen “verunsichernd” und “begeisternd” auf der vertikalen, macht auch für sie selbst sichtbar, wie Sie und die anderen im Team ein (Angst-)Thema sehen.
  5. Feiern Sie ihren Sieg gegen die Angst. Feiern Sie gemeisterte Herausforderungen und sichen Sie dennoch stetig nach neuen.
  6. Nur bitte: Widerstehen Sie dem Impuls mit den Kollegen in den Kletterpark zu gehen, um einzelnen die Höhenangst zu nehmen. Das hilft nur, wenn Sie als Fassadenkletterer Ihr Geld verdienen – und auch dann ist es einfacher neue, schwindelfreie Mitarbeiter zu suchen.

 

Warum habe ich all das hier so zusammengetragen?

Weil ich weiss wie sehr das gute Arbeit be- und verhindert und weil auch ich immer wieder Angst habe. Höhenangst, Angst den eigenen hohen Erwartungen, meinem eigenen Anspruch an mich und meine Arbeit nicht zu genügen, Angst davor alleine nicht alle Probleme meiner Kunden lösen zu können und zu enttäuschen, Angst die Auftragspipeline nicht zu füllen, im Grundrauschen unterzugehen, nicht gesehen zu werden.
 
Auch meine Angst hat viele Formen. Auch meine Angst (über-)fordert mich manchmal. Aber gerade weil ich mich mit der Herausforderungen dieser Ängste stelle, kann ich meine Komfortzone ausweiten, kann meine eigenen hohen Erwartungen erfüllen, die Probleme lösen und erhalte Aufträge. Manchmal nicht indem ich mich alleine weiterentwickle, sondern weil ich im Verbund mit anderen Unsicherheit in Sicherheit überführe. Manchmal aber auch ganz allein, wenn ich dann doch aus immer neuen Höhen herunterblicke und erlebe, wie irrational meine Höhenangst mich so lange Zeit gelähmt hat.
 
Gehen auch Sie Ihre (organisationale) Angst bewusst an, bevor sie Sie an die Leine nimmt. Die Zukunft Ihres Arbeitsumfeldes und Unternehmens sollte es Ihnen Wert sein.